Gedichte

Gedichte nach 1800

Der Neckar

In deinen Tälern wachte mein Herz mir auf
   Zum Leben, deine Wellen umspielten mich,
         Und all der holden Hügel, die dich
               Wanderer! kennen, ist keiner fremd mir.

Auf ihren Gipfeln löste des Himmels Luft
   Mir oft der Knechtschaft Schmerzen; und aus dem Tal,
         Wie Leben aus dem Freudebecher,
               Glänzte die bläuliche Silberwelle.

Der Berge Quellen eilten hinab zu dir,
   Mit ihnen auch mein Herz und du nahmst uns mit,
         Zum stillerhabnen Rhein, zu seinen
               Städten hinunter und lustgen Inseln.

Noch dünkt die Welt mir schön, und das Aug entflieht
   Verlangend nach den Reizen der Erde mir,
         Zum goldenen Paktol, zu Smyrnas
               Ufer, zu Ilions Wald. Auch möcht ich

Bei Sunium oft landen, den stummen Pfad
   Nach deinen Säulen fragen, Olympion!
         Noch eh der Sturmwind und das Alter
               Hin in den Schutt der Athenertempel

Und ihrer Gottesbilder auch dich begräbt,
   Denn lang schon einsam stehst du, o Stolz der Welt,
         Die nicht mehr ist. Und o ihr schönen
               Inseln Ioniens! wo die Meerluft

Die heißen Ufer kühlt und den Lorbeerwald
   Durchsäuselt, wenn die Sonne den Weinstock wärmt,
         Ach! wo ein goldner Herbst dem armen
               Volk in Gesänge die Seufzer wandelt,

Wenn sein Granatbaum reift, wenn aus grüner Nacht
   Die Pomeranze blinkt, und der Mastixbaum
         Von Harze träuft und Pauk und Cymbel
               Zum labyrinthischen Tanze klingen.

Zu euch, ihr Inseln! bringt mich vielleicht, zu euch
   Mein Schutzgott einst; doch weicht mir aus treuem Sinn
         Auch da mein Neckar nicht mit seinen
               Lieblichen Wiesen und Uferweiden.