Verfassungsurkunde

Da die Nationalversammlung die Französische Verfassung auf den Grundsätzen aufbauen will, die sie eben anerkannt und erklärt hat, schafft sie unwiderruflich die Einrichtungen ab, welche die Freiheit und die Gleichheit der Rechte verletzen.

Es gibt keinen Adel mehr, keinen Hochadel, keine erblichen Unterschiede, keine Standesunterschiede, keine Lehnsherrschaft, keine Patrimonialgerichtsbarkeiten, keine Titel, Benennungen und Vorrechte, die davon herrührten, keinen Ritterorden, keine Körperschaften oder Auszeichnungen, die Adelsproben erforderten oder die auf Unterschieden der Geburt beruhten, und keine andere Überlegenheit als die der öffentlichen Beamten in Ausübung ihres Dienstes.

Kein öffentliches Amt kann mehr gekauft oder ererbt werden.

Für keinen Teil der Nation, für kein Individuum gibt es mehr irgendein Privileg oder eine Ausnahme vom gemeinsamen Recht aller Franzosen.

Es gibt keine Zünfte mehr, keine Körperschaften von Berufen, Künsten oder Handwerken. Das Gesetz anerkennt keine geistlichen Gelübde noch irgendwelche andere Verbindlichkeiten, die den natürlichen Rechten oder der Verfassung entgegenstehen.

Titel I.
Grundeinrichtungen, von der Verfassung verbürgt

Die Verfassung verbürgt als natürliche und bürgerliche Rechte:

  1. dass alle Staatsbürger zu allen Stellungen und Beamtungen zugelassen sind ohne einen anderen Unterschied als den ihrer Tugenden und ihrer Talente;
  2. dass alle Abgaben auf alle Bürger gleichmäßig unter Berücksichtigung ihrer Vermögensverhältnisse verteilt werden:
  3. das dieselben Verbrechen mit denselben Strafen belegt werden ohne irgendeinen Unterschied der Person.

Die Verfassung verbürgt gleichfalls als natürliche und bürgerliche Rechte:
die Freiheit jedes Menschen zu gehen, zu bleiben, zu reisen, ohne verhaftet oder gefangen gehalten zu werden als in den durch die Verfassung festgelegten Formen;

die Freiheit jedes Menschen zu reden, zu schreiben, zu drucken und seine Gedanken zu veröffentlichen, ohne dass seine Schriften irgendeiner Zensur oder Aufsicht vor ihrer Veröffentlichung unterworfen sein dürfen, und den religiösen Kult auszuüben, dem er anhängt;

die Freiheit der Bürger, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln in Übereinstimmung mit den Polizeigesetzen;
die Freiheit, an die errichteten Behörden persönlich unterzeichnete Bittschriften zu richten.

Die gesetzgebende Gewalt kann keine Gesetze erlassen, welche die Ausübung der natürlichen und bürgerlichen Rechte, die in diesem Abschnitt bezeichnet und durch die Verfassung verbürgt sind, beeinträchtigen oder hindern. Und da die Freiheit nur darin besteht, alles das tun zu können, was weder den Rechten eines anderen noch der öffentlichen Sicherheit schadet, kann das Gesetz Strafen gegen die Handlungen festsetzen, welche die öffentliche Sicherheit oder die Rechte eines anderen angreifen und dadurch der Gesellschaft schaden würden.

Die Verfassung verbürgt die Unverletzlichkeit des Eigentums oder die gerechte und vorherige Entschädigung von dem, was die gesetzlich festgestellte, öffentliche Notwendigkeit als Opfer erfordert.

Die Güter, die für die Ausgaben der Kirchen und alle Zweige der öffentlichen Wohlfahrt bestimmt waren, gehören der Nation und stehen in jedem Falle zu ihrer Verfügung.

Die Verfassung verbürgt die Verkäufe der Nationalgüter, die in den durch das Gesetz festgelegten Formen geschehen sind oder noch geschehen werden.

Die Bürger haben das Recht, die Diener ihres Gottesdienstes selbst zu wählen.

Es soll eine allgemeine Einrichtung öffentlicher Hilfeleistungen geschaffen und gebildet werden, um verlassene Kinder zu erziehen, armen Kranken zu helfen und verarmten Gesunden, die sich keine Arbeit verschaffen können, diese zu besorgen.

Es soll ein öffentliches Schulwesen eingerichtet und gebildet werden, das für alle Bürger gemeinsam und in den Bereichen des Unterrichts, die für alle Menschen notwendig sind, kostenlos ist. Seine Anstalten sollen entsprechend der Einteilung des Königreiches auf die einzelnen Gebiete verteilt werden.

Es sollen Nationalfeste eingeführt werden, um die Erinnerung an die Französische Revolution zu bewahren, die Brüderlichkeit unter den Bürgern zu stärken und sie an die Verfassung, das Vaterland und die Gesetze zu binden.

Es soll ein Gesetzbuch der dem ganzen Königreich gemeinsamen bürgerlichen Gesetze geschaffen werden.

Titel II.
Von der Einteilung des Königreiches und dem Stand der Bürger

Art. 1. Das Königreich ist einheitlich und unteilbar. Sein Gebiet ist in 83 Departements eingeteilt, jedes Departement in Distrikte, jeder Distrikt in Kantone.

Art. 2.  Französische Bürger sind:
diejenigen, welche in Frankreich von einem französischen Vater gezeugt sind;
diejenigen, welche in Frankreich von einem ausländischen Vater gezeugt sind und ihren Wohnsitz in Frankreich aufgeschlagen haben;

diejenigen, welche im Ausland von einem französischen Vater gezeugt sind, aber nach Frankreich gekommen sind und sich hier niedergelassen und den Bürgereid geleistet haben;
endlich diejenigen, welche in der Fremde geboren sind und, in welchem Grade es auch sei, von einem Franzosen oder einer Französin abstammen, die um ihrer Religion willen vertrieben wurden und nach Frankreich zurückkehren, um hier zu wohnen und den Bürgereid leisten.

Art. 3. Diejenigen, welche außerhalb des Königreiches von fremden Eltern geboren wurden und in Frankreich wohnen, werden nach einer ununterbrochenen Niederlassung von fünf Jahren im Königreich Bürger, wenn sie außerdem Grundbesitz erworben oder eine Französin geheiratet oder auch einen Landwirtschafts- oder Gewerbebetrieb eingerichtet und den Bürgereid geleistet haben.

Art. 4. Die gesetzgebende Gewalt kann aus wichtigen Gründen einen Ausländer einbürgern, ohne andere Bedingungen, als dass er seinen Wohnsitz in Frankreich aufschlägt und dort den Bürgereid leistet.

Art. 5. Der Bürgereid lautet: ?Ich schwöre, der Nation, dem Gesetz und dem Könige treu zu sein und mit allen meinen Kräften die Verfassung des Königreiches, die durch die verfassungsgebende Nationalversammlung in den Jahren 1789, 1790 und 1791 beschlossen wurde, aufrechtzuerhalten.

Art. 6. Die Eigenschaft eines französischen Bürgers geht verloren:

  1. durch die Einbürgerung in einem fremden Lande;
  2. durch die Verurteilung zu Strafen, die die Aberkennung der Bürgerrechte einschließen, solange der Verurteilte nicht rehabilitiert ist;
  3. durch eine Verurteilung in Abwesenheit, solange das Urteil nicht aufgehoben ist;
  4. durch den Beitritt zu einem ausländischen Ritterorden oder einer ausländischen Körperschaft, die auf Adelsproben oder Geburtsunterschieden beruht oder religiöse Gelübde verlangen.

Art. 7. Das Gesetz betrachtet die Ehe nur als bürgerlichen Vertrag. Die gesetzgebende Gewalt wird für alle Einwohner ohne Unterschied die Art festsetzen, in der Geburten, Heiraten und Todesfälle festgestellt werden sollen. Sie wird auch die öffentlichen Beamten ernennen, die die Urkunden darüber aufnehmen und sie aufbewahren.

Art. 8. Die französischen Bürger bilden auf Grund der örtlichen Beziehungen, die aus ihrer Vereinigung in den Städten und in bestimmten Bezirken des Gebiets auf dem Lande entstehen, die Gemeinden.

Die gesetzgebende Gewalt kann den Umfang des Bezirks einer jeden Gemeinde festsetzen.

Art. 9. Die Bürger, die eine Gemeinde bilden, haben das Recht, auf Zeit und in den durch das Gesetz festgelegten Formen die unter ihnen zu wählen, die als Gemeindebeamte die besonderen Angelegenheiten der Gemeinde zu führen beauftragt sind.
Den Gemeindebeamten können einige Aufgaben, die sich auf das allgemeine Staatsinteresse beziehen, übertragen werden.

Art. 10. Die Richtlinien, nach denen sich die Gemeindebeamten in Wahrnehmung der Gemeindeangelegenheiten wie der ihnen übertragenen Aufgaben des allgemeinen Interesses zu richten haben, werden durch Gesetze bestimmt.

Titel III.
Von den öffentlichen Gewalten

Art. 1. Die Souveränität ist einheitlich, unteilbar, unveräußerlich und unverjährbar. Sie gehört der Nation. Kein Teil des Volkes und keine einzelne Person kann sich ihre Ausübung aneignen.

Art. 2. Die Nation, von der allein alle Gewalten ihren Ursprung haben, kann sie nur durch Übertragung ausüben.
Die französische Verfassung ist eine Repräsentativverfassung. Ihre Repräsentanten sind die gesetzgebende Körperschaft und der König.

Art. 3. Die gesetzgebende Gewalt ist einer Nationalversammlung übertragen, die aus Abgeordneten besteht, die durch das Volk frei und auf Zeit gewählt werden, um sie mit Billigung des Königs auf die Art auszuüben, die nachstehend bestimmt wird.

Art. 4. Die Regierung ist monarchisch. Die ausführende Gewalt ist dem König übertragen, um unter seiner Autorität durch die Minister und andere verantwortliche Beamte auf die Art ausgeübt zu werden, die nachstehend bestimmt wird.

Art. 5. Die richterliche Gewalt ist den durch das Volk auf Zeit gewählten Richtern übertragen.

Kapitel I.
Von der gesetzgebenden Nationalversammlung

Art. 1. Die Nationalversammlung, welche die gesetzgebende Körperschaft bildet, ist immerwährend und ist nur aus einer Kammer zusammengesetzt.

Art. 2. Sie wird alle zwei Jahre durch Neuwahlen gebildet.
Jeder Zeitraum von zwei Jahren bildet eine Legislaturperiode.

Art. 3. Die Anordnungen des vorstehenden Artikels finden auf die nächste gesetzgebende Körperschaft keine Anwendung. Ihre Befugnisse erlöschen am letzten April 1793.

Art. 4. Die Erneuerung der gesetzgebenden Körperschaft erfolgt rechtskräftig.

Art. 5. Die gesetzgebende Körperschaft kann durch den König nicht aufgelöst werden.

Abschnitt I.
Zahl der Abgeordneten. Grundlagen der Abordnung

Art. 1. Die Zahl der Abgeordneten der gesetzgebenden Körperschaft beträgt 745 nach Maßgabe der 83 Departements, aus denen sich das Königreich zusammensetzt, und ohne Rücksicht auf diejenigen, welche den Kolonien bewilligt werden dürfen.

Art. 2. Die Abgeordneten werden auf die 83 Departements nach den drei Verhältnissen des Gebietes, der Bevölkerung und der direkten Besteuerung verteilt.

Art. 3. Von den 745 Abgeordneten werden 247 dem Gebiet zugeordnet. Jedes Departement wird davon 3 wählen mit Ausnahme des Departements von Paris, das nur einen wählt.

Art. 4. 249 Abgeordnete sind der Bevölkerung zugeordnet. Die Gesamtzahl der wahlberechtigten Bevölkerung des Königreiches wird in 249 Teile eingeteilt. Jedes Departement wählt soviel Abgeordnete, als es Teile der Bevölkerung hat.

Art. 5. 249 Abgeordnete sind der Bevölkerung nach der direkten Besteuerung zugeordnet. Die Gesamtsumme der direkten Besteuerung des Königreiches wird ebenfalls in 249 Teile eingeteilt, und jedes Departement wählt so viele Abgeordnete, wie es Teile der Steuer bezahlt.

Abschnitt II.
Urversammlungen. Bestellung der Wahlmänner

Art. 1. Um die gesetzgebende Nationalversammlung zu wählen, treten die aktiven Bürger alle zwei Jahre in den Städten und den Kantonen zu Urversammlungen zusammen.

Die Urversammlungen treten rechtmäßig am zweiten Märzsonntag zusammen, wenn sie nicht schon früher durch die vom Gesetz bestimmten öffentlichen Beamten einberufen worden sind.

Art. 2. Um aktiver Bürger zu sein, ist es notwendig:
als Franzose geboren oder Franzose geworden zu sein,
das 25. Lebensjahr vollendet zu haben,
seinen Wohnsitz in der Stadt oder dem Kanton seit der durch das Gesetz festgelegten Zeit zu haben,
in irgendeinem Orte des Königreiches eine direkte Steuer zu zahlen, die wenigstens dem Wert von drei Arbeitstagen gleichkommt und darüber eine Quittung vorzulegen,
nicht dem Bedientenstand anzugehören, d.h. Lohndiener zu sein, im Rathaus seines Wohnsitzes in die Liste der Nationalgarde eingeschrieben zu sein,

den Bürgereid geleistet zu haben.

Art. 3. Alle sechs Jahre wird die gesetzgebende Körperschaft den niedrigsten und den höchsten Satz des Wertes eines Arbeitstages festsetzen, und die Verwalter der Departements werden ihn für jeden Bezirk örtlich festlegen.

Art. 4. Keiner kann die aktiven Bürgerrechte an mehr als einem Orte ausüben, noch sich durch einen anderen vertreten lassen.

Art. 5. Von der Ausübung des aktiven Bürgerrechtes sind ausgeschlossen:
diejenigen, welche im Anklagezustand stehen,
diejenigen, welche nach glaubwürdigem Zeugnis bankrott oder zahlungsunfähig gewesen waren und keine Generalquittung ihrer Gläubiger vorweisen können.

Art. 6. Die Urversammlungen wählen die Wahlmänner im Verhältnis zur Zahl der aktiven in der Stadt oder im Kanton wohnenden Bürger. Es wird auf 100 Aktivbürger, ob in der Versammlung anwesend oder nicht, ein Wahlmann zur Versammlung gewählt. Auf 151 bis 250 sollen zwei gewählt werden und so fort.

Art. 7. Keiner soll zum Wahlmann gewählt werden können, der nicht mit den notwendigen Bedingungen für das aktive Bürgerrecht folgende verbindet:

In Städten über 6000 Einwohner die, Besitzer oder Nutznießer eines Grundstücks zu sein, das zur Steuerrolle mit einem Einkommen veranlagt ist, das dem örtlichen Wert von 200 Arbeitstagen gleichkommt, oder Mieter einer Wohnung zu sein, die zur gleichen Rolle mit einem Einkommen, das dem Wert von 750 Arbeitstagen gleichkommt, veranlagt ist.

In Städten unter 6000 Einwohner die, Besitzer oder Nutznießer eines Vermögens zu sein, das zur Steuerrolle mit einem Einkommen veranlagt ist, das dem örtlichen Wert von 150 Arbeitstagen gleichkommt, oder Mieter einer Wohnung zu sein, die zur gleichen Rolle mit einem Einkommen, das dem Wert von 100 Arbeitstagen gleichkommt, veranlagt ist.

Und auf dem Lande die, Besitzer oder Nutznießer eines Gutes zu sein, das zur Steuerrolle mit einem Einkommen veranlagt ist, das dem örtlichen Wert von 150 Arbeitstagen gleichkommt oder Pächter oder Meier von Gütern zu sein, die zur gleichen Rolle mit dem Wert von 400 Arbeitstagen veranlagt sind.

Bei denen, die gleichzeitig Eigentümer oder Nutznießer einerseits, Mieter, Pächter oder Meier anderseits sind, wird das Vermögen aus verschiedenen Titeln zusammengezählt bis zu dem für ihre Wählbarkeit notwendigen Steuersatz.

Abschnitt III.
Wahlversammlung. Wahl der Abgeordneten

Art. 1. Die in jedem Departement gewählten Wahlmänner treten zusammen, um die Anzahl der Abgeordneten, die ihrem Departement zugeteilt ist, und eine Anzahl von Stellvertretern, die einem Drittel der Abgeordneten gleichkommt, zu wählen.
Die Wahlversammlungen vereinigen sich rechtskräftig am letzten Märzsonntag, wenn sie nicht schon früher durch die vom Gesetz bestimmten öffentlichen Beamten einberufen worden sind.

Art. 2. Die Abgeordneten und ihre Stellvertreter werden mit absoluter Stimmenmehrheit gewählt. Sie können nur unter den aktiven Bürgern des Departements gewählt werden.

Art. 3. Alle aktiven Bürger, gleich welchen Standes, Berufes oder welcher Steuerleistung können zu Abgeordneten der Nation gewählt werden.

Art. 4. Doch sollen verpflichtet sein sich zu entscheiden die Minister und die anderen nach Belieben absetzbaren Beamten der vollziehenden Gewalt, die Kommissare des Staatsschatzes, die Einheber und Einnehmer der direkten Steuern, die Aufseher über die Erhebung und die Verwaltung der indirekten Steuern und der Nationalgüter und die, die unter irgendeinem Namen zum militärischen oder zivilen Haushalt des Königs gehören. Gleicherweise sind verpflichtet, sich zu entscheiden die Administratoren und Unteradministratoren, die Gemeindebeamten und die Kommandanten der Nationalgarden.

Art. 5. Die Ausübung des Richteramtes ist mit der Stellung eines Abgeordneten der Nation während der ganzen Dauer der Legislaturperiode unvereinbar.
Die Richter werden durch ihre Stellvertreter ersetzt, und der König wird durch Patente für Ersatz seiner Kommissare bei den Gerichtshöfen sorgen.

Art. 6. Die Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaft können für die folgende Legislatur wiedergewählt werden, darauf aber nur nach einem Zeitraum von zwei Jahren.

Art. 7. Die in einem Departement gewählten Abgeordneten sollen nicht Abgeordnete eines besonderen Departements, sondern der ganzen Nation sein. Und es kann ihnen kein Auftrag gegeben werden.

Abschnitt IV.
Abhaltung und Einrichtung der Ur- und Wahlversammlungen

Art. 1. Die Aufgaben der Ur- und Wahlversammlungen beschränken sich auf das Wählen. Sie sollen alsbald nach vollzogener Wahl auseinandertreten und können von neuem nur zusammentreten, wenn sie einberufen werden, außer im Falle des obigen 1. Artikels des 2. Abschnitts und des 1. Artikels des 3. Abschnitts.

Art. 2. Kein aktiver Bürger kann in die Versammlung kommen und seine Stimme abgeben, wenn er bewaffnet ist.

Art. 3. Die bewaffnete Macht kann in den Sitzungsraum nicht eingelassen werden ohne den ausdrücklichen Willen der Versammlung, es sei denn, dass Gewalttätigkeiten begangen würden. In diesem Falle genügt die Anordnung des Präsidenten, um die öffentliche Macht herbeizurufen.

Art. 4. Alle zwei Jahre sollen in jedem Distrikt kantonweise Listen der aktiven Bürger aufgestellt werden. Die Liste jedes Kantons wird zwei Monate vor dem Zeitpunkt der Urversammlung veröffentlicht und angeschlagen werden.
Reklamationen, die erfolgen, um die Eigenschaft der auf der Liste angeführten Bürger zu bestreiten, oder von seiten derer, die glauben, zu Unrecht ausgelassen zu sein, sollen vor die Gerichtshöfe gebracht werden, um dort kurz entschieden zu werden.
Die Liste soll für die Zulassung der Bürger zur nächsten Urversammlung in alldem als Grundlage dienen, was nicht vor dem Abhalten der Versammlung durch richterlichen Entscheid verbessert worden ist.

Art. 5. Die Wahlversammlungen haben das Recht, die Eigenschaft und die Vollmachten derer, die sich dort melden, zu prüfen. Ihre Entscheidungen sollen vorläufig ausgeführt werden, vorbehaltlich des Urteils der gesetzgebenden Körperschaft bei der Prüfung der Vollmachten der Abgeordneten.

Art. 6. In keinem Falle und unter keinem Vorwande können der König oder einer der von ihm ernannten Beamten Kenntnis von Fragen nehmen, die sich auf die Richtigkeit der Einberufungen, die Abhaltung der Versammlungen, die Form der Wahlen oder die politischen Rechte der Bürger beziehen, unter Vorbehalt der Aufgaben der königlichen Kommissare in den durch das Gesetz bestimmten Fällen und der Fragen bezüglich der politischen Rechte der Bürger, die vor die Gerichtshöfe gebracht werden müssen.

Abschnitt V.
Zusammentritt der Abgeordneten zur gesetzgebenden Nationalversammlung

Art. 1. Die Abgeordneten treten am ersten Montag im Monat Mai am Sitzungsort der letzten Legislaturperiode zusammen.

Art. 2. Sie vereinigen sich vorläufig unter dem Vorsitz des Alterspräsidenten zur Versammlung, um die Vollmachten der anwesenden Abgeordneten zu prüfen.

Art. 3. Sobald 373 Mitglieder geprüft sind, konstituieren sie sich als gesetzgebende Nationalversammlung. Sie wählt einen Präsidenten, einen Vizepräsidenten und Sekretäre und beginnt mit der Ausübung ihrer Aufgaben.

Art. 4. Während des Monats Mai kann die Versammlung keinen gesetzgebenden Akt vornehmen, wenn die Zahl der anwesenden Abgeordneten weniger als 373 Mitglieder beträgt.

Sie kann einen Beschluss fassen, dass die abwesenden Mitglieder sich spätestens binnen 14 Tagen bei einer Strafe von 3000 Franken an ihre Aufgaben begeben, wenn sie nicht eine Entschuldigung, die durch die Versammlung als rechtmäßig anerkannt wird, vorweisen.

Art. 5. Am letzten Mai konstituieren sie sich zur gesetzgebenden Nationalversammlung, welches auch die Zahl der anwesenden Mitglieder sei.

Art. 6. Die Abgeordneten sprechen gemeinsam im Namen des französischen Volkes den Eid aus, frei zu leben oder zu sterben.
Anschließend leisten sie jeder für sich den Eid, mit aller Kraft die durch die verfassungsgebende Nationalversammlung in den Jahren 1789, 1790 und 1791 beschlossene Verfassung des Königreiches aufrechtzuerhalten, während der Legislaturperiode nichts vorzuschlagen oder zu bewilligen, was sie verletzen kann und in allem der Nation, dem Gesetz und dem Könige treu zu sein.

Art. 7. Die Abgeordneten der Nation sind unverletzlich. Sie können zu keiner Zeit für das, was sie in Ausübung ihrer Aufgaben als Abgeordnete gesagt, geschrieben oder getan haben, verfolgt, angeklagt oder verurteilt werden.

Art. 8. Sie können im Falle eines Verbrechens auf frischer Tat oder auf Grund eines Haftbefehls ergriffen werden. Es muss aber sogleich der gesetzgebenden Körperschaft Nachricht gegeben werden, und die Untersuchung kann nur dann ihren Fortgang nehmen, wenn die gesetzgebende Körperschaft entschieden hat, dass der Anklage stattgegeben wird.

Kapitel II.
Vom Königtum, der Regentschaft und den Ministern

Abschnitt 1.
Vom Königtum und dem König

Art. 1. Das Königtum ist unteilbar und dem regierenden Hause im Mannesstamm nach dem Rechte der Erstgeburt erblich übertragen unter dauerndem Ausschluss der Frauen und ihrer Nachkommenschaft. (Über die Wirkung von Verzichtleistungen im gegenwärtig regierenden Hause ist nichts im voraus bestimmt.)

Art. 2. Die Person des Königs ist unverletzlich und heilig. Sein einziger Titel ist König der Franzosen.

Art. 3. Es gibt in Frankreich keine Autorität, die über dem Gesetze steht. Der König regiert nur durch dieses. Und nur im Namen des Gesetzes kann er Gehorsam verlangen.

Art. 4. Der König soll bei seiner Thronbesteigung, oder sobald er großjährig geworden ist, der Nation in Gegenwart der gesetzgebenden Körperschaft den Eid leisten, der Nation und dem Gesetze treu zu sein, alle ihm übertragene Macht zur Aufrechterhaltung der durch die verfassungsgebende Nationalversammlung in den Jahren 1789, 1790 und 1791 beschlossenen Verfassung anzuwenden und die Gesetze ausführen zu lassen.
Wenn die gesetzgebende Körperschaft nicht versammelt ist, wird der König eine Proklamation erlassen, in der dieser Eid und das Versprechen, ihn zu wiederholen, sobald die gesetzgebende Körperschaft zusammengetreten ist, enthalten ist.

Art. 5. Wenn der König einen Monat nach der Aufforderung durch die gesetzgebende Körperschaft den Eid nicht geleistet hat, oder wenn er ihn zurücknimmt, nachdem er ihn geleistet hat, wird angenommen, dass er abgedankt hat.

Art. 6. Wenn der König sich an die Spitze einer Armee stellt und ihre Kräfte gegen die Nation führt oder wenn er sich nicht durch einen formellen Akt einem solchen Unternehmen, das in seinem Namen durchgeführt wird, widersetzt, wird angenommen, dass er abgedankt hat.

Art. 7. Wenn der König das Königreich verlassen hat und dorthin nicht nach einer Aufforderung durch die gesetzgebende Körperschaft in der in der Proklamation festgesetzten Frist, die nicht unter zwei Monaten sein darf, zurückkehrt, wird angenommen, dass er abgedankt hat.
Die Frist beginnt von dem Tage an zu laufen, an dem die Proklamation von der gesetzgebenden Körperschaft inmitten ihrer Versammlung verkündet worden ist. Die Minister sind verantwortlich und verpflichtet, alle Akte der vollziehenden Gewalt auszuführen, deren Ausübung in der Hand des abwesenden Königs liegen würde.

Art. 8. Nach der ausdrücklichen oder gesetzlichen Abdankung gehört der König zur Klasse der Bürger und kann für Handlungen nach seiner Abdankung wie sie angeklagt und verurteilt werden.

Art. 9. Der Privatbesitz, den der König bei seiner Thronbesteigung besitzt, wird unwiderruflich mit den Nationalgütern vereinigt. Er hat über die, die er unter einem besonderen Titel erwirbt, die Verfügung. Wenn er über sie nicht verfügt, werden sie bei Ende seiner Regierung gleichfalls einverleibt.

Art. 10. Die Nation sorgt für den Glanz des Thrones durch eine Zivilliste, deren Summe die gesetzgebende Körperschaft bei jedem Regierungswechsel für die ganze Dauer der Regierung festlegt.

Art. 11. Der König ernennt einen Verwalter der Zivilliste, der die gerichtliche Vertretung des Königs übernimmt und gegen den alle Klagen gegen den König gerichtet und alle Urteile verkündet werden.
Durch die Gläubiger der Zivilliste erlangte Urteile werden gegen den Verwalter persönlich und auf seinen eigenen Gütern vollstreckt.

Art. 12. Der König hat unabhängig von der Ehrengarde, die ihm am Orte seiner Residenz durch die Bürger der Nationalgarde gestellt wird, eine aus den Mitteln der Zivilliste bezahlte Garde. Sie darf die Zahl von 1200 Mann zu Fuß und 600 zu Pferde nicht überschreiten. Die Dienstgrade und die Beförderungsregeln sind die gleichen wie bei den Linientruppen. Aber diejenigen, welche die Garde des Königs bilden, beschränken sich in ihren Dienstgraden ausschließlich auf diese und können keinen anderen in der Linientruppe erhalten.
Der König kann die Männer seiner Garde nur unter denen wählen, die augenblicklich aktiv in den Linientruppen dienen oder unter den Bürgern, die ein Jahr in der Nationalgarde Dienst getan haben, vorausgesetzt, dass sie im Königreich wohnen und dass sie vorher den Bürgereid geleistet haben.
Die Garde des Königs kann für keinen anderen öffentlichen Dienst befohlen oder verwendet werden.

Abschnitt II.
Von der Regentschaft

Art. 1. Der König ist bis zum vollendeten 18. Lebensjahre minderjährig. Während seiner Minderjährigkeit gibt es einen Regenten des Königtums.

Art. 2. Die Regentschaft steht dem nächsten Verwandten des Königs nach der Erbfolge am Throne zu, wenn er das 25. Lebensjahr vollendet hat, Franzose und Staatsangehöriger ist, nicht voraussichtlicher Erbe einer anderen Krone ist und zuvor den Bürgereid geleistet hat. Frauen sind von der Regentschaft ausgeschlossen.

Art. 3. Wenn ein minderjähriger König keinen Verwandten hat, der diese oben angeführten Eigenschaften vereinigt, wird der Regent des Königs gemäß den folgenden Artikeln gewählt werden.

Art. 4. Die gesetzgebende Körperschaft kann den Regenten nicht wählen.

Art. 5. Die Wahlmänner jedes Distrikts treten am Hauptort des Distrikts auf Grund einer Proklamation zusammen, die in der ersten Woche der neuen Herrschaft durch die gesetzgebende Körperschaft erlassen wird, falls sie vereinigt ist. Wenn sie auseinandergegangen ist, ist der Justizminister angewiesen, diese Proklamation in der gleichen Woche zu erlassen.

Art. 6. Die Wahlmänner wählen in jedem Distrikt in persönlicher Abstimmung mit der absoluten Mehrheit der Stimmen einen in dem Distrikt wählbaren und ansässigen Bürger, dem sie durch das Wahlprotokoll den besonderen, auf die einzige Aufgabe beschränkten Auftrag geben, den Bürger zu wählen, den er seinem Gewissen nach für den würdigsten hält, als Regent des Königreichs gewählt zu werden.

Art. 7. Die in den Distrikten gewählten beauftragten Bürger sind angewiesen, sich spätestens am 40. Tage nach der Thronbesteigung des minderjährigen Königs in der Stadt, in der die gesetzgebende Körperschaft ihre Sitzungen abhält, zu versammeln und die Wahlversammlung zu bilden, welche die Wahl des Regenten vornimmt.

Art. 8. Die Wahl des Regenten erfolgt in persönlicher Abstimmung mit absoluter Stimmenmehrheit.

Art. 9. Die Wahlversammlung kann sich nur mit der Wahl beschäftigen und löst sich auf, sobald die Wahl beendet ist. Jede andere Handlung, die sie unternehmen würde, ist verfassungswidrig und nichtig.

Art. 10. Die Wahlversammlung wird durch ihren Präsidenten das Protokoll der Wahl der gesetzgebenden Körperschaft übergeben, die es nach der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Wahl durch eine Proklamation im ganzen Königreich veröffentlichen wird.

Art. 11. Der Regent übt bis zur Großjährigkeit des Königs alle Obliegenheiten des Königtums aus und ist für die Handlungen seiner Verwaltung nicht persönlich verantwortlich.

Art. 12. Der Regent kann die Ausübung seiner Obliegenheiten nur beginnen, nachdem er der Nation in Gegenwart der gesetzgebenden Körperschaft den Eid geleistet hat, der Nation, dem Gesetz und dem König treu zu sein, alle dem König übertragene Macht, deren Ausübung ihm während der Minderjährigkeit des Königs anvertraut ist, zur Aufrechterhaltung der durch die verfassungsgebende Nationalversammlung in den Jahren 1789, 1790 und 1791 beschlossenen Verfassung anzuwenden und die Gesetze ausführen zu lassen.
Wenn die gesetzgebende Körperschaft nicht versammelt ist, wird der Regent eine Proklamation erlassen, in der dieser Eid und das Versprechen, ihn zu wiederholen, sobald die gesetzgebende Körperschaft zusammengetreten ist, enthalten ist.

Art. 13. Solange der Regent die Ausübung seiner Obliegenheiten nicht begonnen hat, bleibt die Bestätigung der Gesetze aufgeschoben. Die Minister fahren fort, unter ihrer Verantwortlichkeit alle Handlungen der vollziehenden Gewalt auszuführen.

Art. 14. Sobald der Regent den Eid geleistet hat, setzt die gesetzgebende Körperschaft sein Gehalt fest, das während der Dauer der Regentschaft nicht verändert werden darf.

Art. 15. Wenn sie auf Grund der Minderjährigkeit des zur Regentschaft berufenen Verwandten einem entfernteren Verwandten zugefallen oder durch Wahl übertragen ist, wird der Regent, der ihre Ausübung begonnen hat, seine Obliegenheiten bis zur Großjährigkeit des Königs fortsetzen.

Art. 16. Die Regentschaft des Königtums erteilt kein Recht auf die Person des minderjährigen Königs.

Art. 17. Die Aufsicht über den minderjährigen König soll seiner Mutter anvertraut sein. Wenn er keine Mutter hat, oder wenn sie zur Zeit der Thronbesteigung ihres Sohnes wieder verheiratet ist oder sich während seiner Minderjährigkeit wieder verheiratet, wird die Aufsicht durch die gesetzgebende Körperschaft übertragen.
Für die Aufsicht über den minderjährigen König können weder der Regent und seine Nachkommen noch Frauen gewählt werden.

Art. 18. Im Falle der offenkundigen Geistesgestörtheit des Königs, die durch die gesetzgebende Körperschaft in drei mit Monatsfrist aufeinanderfolgenden Beratungen gesetzlich festgestellt und erklärt werden muß, findet eine Regentschaft statt, solange die Geistesgestörtheit andauert.

 

Abschnitt III.
Von der Familie des Königs

Art. 1. Der voraussichtliche Thronerbe führt den Namen Königlicher Prinz.
Er kann das Königreich ohne einen Beschluss der gesetzgebenden Körperschaft und die Zustimmung des Königs nicht verlassen.
Wenn er es verlassen hat und nach Erlangung des 18. Lebensjahres nicht nach Frankreich zurückkehrt, nachdem er durch eine Proklamation der gesetzgebenden Körperschaft dazu aufgefordert worden ist, so wird angenommen, dass er auf das Recht der Thronfolge verzichtet hat.

Art. 2. Wenn der voraussichtliche Thronerbe minderjährig ist, ist der großjährige Verwandte, der als erster zur Regentschaft berufen ist, verpflichtet, im Königreich zu residieren.
Im Falle, dass er es verlässt und auf Anfordern der gesetzgebenden Körperschaft nicht zurückkehrt, wird angenommen, dass er auf sein Recht an der Regentschaft verzichtet.

Art. 3. Die Mutter des minderjährigen Königs, die seine Aufsicht hat, oder der erwählte Hüter gehen der Aufsicht verlustig, wenn sie das Königreich verlassen.
Wenn die Mutter des voraussichtlichen minderjährigen Thronerben das Königreich verlassen würde, könnte sich auch nach ihrer Rückkehr die Aufsicht über ihren minderjährigen, inzwischen König gewordenen Sohn nur durch einen Beschluss der gesetzgebenden Körperschaft erlangen.

Art. 4. Es wird ein Gesetz erlassen werden, um die Erziehung des minderjährigen Königs und die des voraussichtlichen minderjährigen Thronerben zu regeln.

Art. 5. Die Mitglieder der königlichen Familie, die gegebenenfalls zur Thronfolge berufen sind, genießen die Rechte aktiver Staatsbürger. Sie sind aber zu allen Stellungen, Beamtungen und Funktionen, die von der Wahl des Volkes abhängen, nicht wählbar.
Mit Ausnahme der Ministerien, können sie Stellungen und Beamtungen bekleiden, die von der Ernennung des Königs abhängen. Doch können sie Streitkräfte zu Wasser oder zu Lande nur befehligen und die Obliegenheiten eines Botschafters nur ausfüllen mit der Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaft in Übereinstimmung mit einem Vorschlag des Königs.

Art. 6. Die Mitglieder der königlichen Familie, die gegebenenfalls zur Thronfolge berufen sind, fügen die Bezeichnung Französischer Prinz dem Namen zu, der ihnen bei der standesamtlichen Eintragung ihrer Geburt gegeben worden ist. Dieser Name kann kein Geschlechtsname sein noch irgendeine der durch die gegenwärtige Verfassung abgeschafften Eig

Quelle:
Politz, Karl Heinrich Ludwig: Die europäischen Verfassungen seit dem Jahre 1789, F. A. Brockhaus, 1833