Armut, Reichtum, Schuld und Buße der Gräfin Dolores
Vierte Abteilung.
Fünfzehntes Kapitel
Unterhaltung der Reisenden in den Pontinischen Sümpfen
Die eine charakteristische Ansicht von Italien mag genügen; zu dem Schlusse des Briefes müssen wir aber bemerken, daß er den beiden zum Schreiben gar mancherlei Veranlassung gab. Er hatte die Methode, mit Fähigkeiten aller Art die Klingenprobe zu machen, etwas von ihnen zu fordern, was gewöhnlich nicht gefordert werden kann, um ihren Umfang und ihre Dauer ganz zu kennen. So sollten sie ihm im Wagen fertige Tragödien schreiben, besonders gab er ihnen dazu einen Stoff, der ganz sonderbar war, und den sie gleich ausführten. Er setzte eine Fürstin nach Italien, die sich in einen schönen griechischen Schiffsknaben verliebt hätte, und die von ihrem Minister in ihr Land zurückgerufen wurde. Der Kammerjunker lachte erstaunlich, wenn er sich den fischköpfigen Primaner, dies tölpelhafte Ungeheuer, als einen solchen Liebling dachte. »Beim Werke«, sagte der Minister, »nehmen Sie darauf Rücksicht, daß in ihm erste, in ihr letzte Liebe wirkt, daß sie in einer Masse von Verhältnissen höherer Art gelebt hat, wovon der Grieche nichts versteht, so daß ein großer Teil ihrer Bildung brach liegen mußte, der auch seinen Umgang sucht; diesen wollen viele unverschämte geldgierige Künstler ausfüllen, dies letztere muß Ihnen lustige Szenen geben.« – So entstand sehr schnell die folgende kleine Tragikomödie vom
Hylas
Ausgang eines bedeckten Säulenganges nach dem Meere, auf der andern Seite ein hoher Felsen mit Gängen, Blumen, Grotten verziert
1.
DER MUSIKER. Das halt ich nicht aus, Sie laufen immerzu und sagen gar kein Wort.
DER MALER. Sie sehen sich nicht um, das ist viel schlimmer.
DER MUSIKER. Wer hat den Strachino zuerst gesehen? Wer fand den Bäckerladen?
DER MALER. Was wollen Sie aber mit dem Zeuge, mit Käse und Brot? Die Fürstin riecht's am Ende.
DER MUSIKER. Ich stelle mich immer unter den Wind; es soll Ihnen noch gut schmecken, nach allem dem süßen Zeuge, was man hier bekommt, der Magen wird einem ganz hohl davon; der Mensch muß aber einen Kern haben, um zu wachsen, wie kein Getreide vom bloßen Regen wächst.
DER MALER. Ich bin noch nicht hier gewesen, geben Sie ein Stück her.
DER MUSIKER. Warten Sie doch, da bringt ein Kammerdiener Sorbetti, das zuerst, der Käse löst die Dissonanz auf.
DER MALER. Das wird schön lauten. Sagen Sie, greift man hier so gerade zu?
DER MUSIKER. Nun sehen Sie, wie ich's mache. Mein lieber Herr Kammerdiener, wie geht's mit Ihrer Flöte? Sie haben da Eis, geben Sie mir davon.
DER KAMMERDIENER. Mit meiner Flöte steht es schlecht, Herr Kapellmeister, ich habe zuviel darauf geblasen, die Klappe will nicht mehr halten, und da geht mir die Luft immer zu früh heraus.
DER MUSIKER. Noch ein Glas Eis, wenn ich bitten darf, auch eins für meinen Freund. Es ist jetzt heiße Zeit, ich rate Ihnen sehr, da kein Instrumentenmacher in der Nähe, lassen Sie die Flöte jetzt ruhig liegen, sie ist bloß ausgetrocknet, wie der Röhrbrunnen vor der Villa; ich wette darauf im Herbste akkompagnieren Sie wieder.
DER KAMMERDIENER. Nein, seit der Grieche bei uns ist, werde ich nicht mehr zum Konzerte verlangt; der bläst Ihnen wie ein Blasebalg und wird niemals müde und hat einen feineren Ansatz.
DER MUSIKER. Noch ein Glas Eis, wenn ich Sie nicht bemühe; Freund, essen Sie doch, ich fand es lange nicht so gut gerieben, ein wahres Meisterstück. Ein außerordentlicher, ein verfluchter Herr, der Grieche! Er tut mir auch Schaden, die Fürstin nimmt zwei Singestunden weniger.
DER MALER. Ist er denn ein Freund von der Kunst?
DER KAMMERDIENER. Was ist denn das, die Kunst?
DER MALER. Die Kunst, ja, sehn Sie, die Kunst ist nun eben die Kunst. Ich bitte um ein Glas Eis, es tut doch gut in solcher warmen Zeit. – Ja, wo blieb ich stehn, die Kunst, müssen Sie wissen, die Kunst bei einer Fürstin, ich setze ein Beispiel an mir, ich bin ein Maler.
DER KAMMERDIENER. Wenn nun die Fürstin allerlei Schildereien kauft, so ist sie eine Kunstfreundin.
DER MALER. Sie wissen es schon, der eine muß es machen und der andere bezahlen. Ich habe nun eine ganze Reihe Landschaften von vier Zoll Breite und drei Zoll Höhe bis fünf Fuß Breite und vier Fuß Höhe; ist wohl im Schlosse noch eine leere Wand, wo sie sich gut machen würden, es soll Ihr Schade nicht sein; hier ist meine Taxe, just wie mit den Spiegeln für jeden Quadratzoll mehr, ein Taler. Noch ein Glas Eis, damit mir nicht eine Seite schwerer wird, als die andere.
DER MUSIKER. Was kommentieren Sie denn jeden ihrer Bissen, sehen Sie, ich nehm ein Glas und schmeiß es in das Meer, daß auch die Fische mitgenießen; nicht wahr Herr Kammerdiener, hier geht alles ganz ins Große.
DER KAMMERDIENER. Es ist doch schad ums Glas, denn schmiß man Sie zum Haus hinaus, so wär's doch schad um Ihren Rock. Es ist nur beispielweis.
DER MUSIKER. Ja wir verstehn uns, alter Freund. Seht noch ein neuer Gast, der Bildhauer mit dem Buckel. Wo seid Ihr denn so lang geblieben Packenträger, Ihr habt nicht mitgekonnt, wir gingen doch zu gleicher Zeit aus.
DER BILDHAUER. Das nennt ihr Kraft, den Weg mit schnellen Schritten so kurz zu treten, daß er gar nichts ist. Was ist denn jetzt das Beschwerliche? Die Sonne! Und ich bin so viel länger in der Sonne geblieben, also habe ich viel mehr Beschwerliches ertragen als ihr, die ihr vorzeitige Geburten, halbgare Erdenklöße seid; und seht mich an, ich spring euch noch übern Stock, als käme ich eben aus dem Bette; und vor dem Dorfe hab ich erst eben eine hübsche Grasschneiderin beim Kopf genommen, vorige Nacht war ich bei der Marquise und heute morgen hab ich einen Zentner Marmor zur Bewe gung abgeschlagen.
DER MALER. Ein rechter Michelangelo; drück nur einmal, wenn du bei Kräften bist aufs Überbein an deinem Rücken, vielleicht vergeht es noch, du bist noch jung.
DER BILDHAUER. Ich weiß nicht, was du hast mit meinem Buckel; ich habe mich erst heute noch im Spiegel angesehn, ganz nackt, es ist bloß der Unterschied zwischen rechter und linker Seite, die ihr bei Stieren auch bemerkt. Du bist auch der einzige Mensch, der das findet, ich frage dich, du jämmerlicher Musikant, ich bin nicht gerade schön gewachsen, aber –
DER MUSIKER. Nicht gerade, ist so viel wie ungerade, und das muß wahr sein.
DER BILDHAUER. Herr, Ihr seid ein Esel.
DER MALER. Leid's nicht, steck ihn unter den Tisch, wir wollen ihm Tritte geben.
DER BILDHAUER. Ich schlag euer Hirn gegen die Mauer, wie ein faul Ei, wer wagt's.
DER KAMMERDIENER. Ihr Rekel, könnt ihr denn nicht Frieden halten, wenn ihr Geschäfte machen wollt, es ist ja euer eigener Vorteil.
DER BILDHAUER. Ich bin zu unmäßig im Zorn, verzeiht ihr Freunde, meine Leidenschaften bringen mich ums Leben. Wie gefällt meine neue Alabasterlampe. Luna, wie sie den Endymion küßt.
DER DICHTER eintretend.
O dieses Meeres süße Füße,
Wie kühlen sie der Nymphen leichte Füße,
Sie laufen nach
Um mit der Well zu spielen,
Doch ach
Sie müssen sich umwunden fühlen,
Demütig schmeichelnd scheint die Liebe erst,
Gebietend ist sie, wenn du sie erhörst.
DER MUSIKER.
Willkommen, werter Freund, ich will gleich musizieren,
Womit Sie eben jetzt die Ohren mir berühren.
Sie sind im schönsten Kreis von einem Kunstvereine,
Was fehlet uns noch jetzt, die Fürstin ganz alleine.
DER DICHTER.
O heil'ger Tag, der mich an diese Schwelle,
In seinem heitern Laufe bringt,
Und wie ein Bach, so irrt ich in der Helle,
Bis jede Welle an der Schwelle klingt,
Da endet mir des Himmels öde Leere,
Ich fühle
Mich wiederklingend endlos in dem Meere,
Und Einklang in dem ewigen Gewühle.
O welches Leben ist mir nun beschieden,
Seit ich mein neblig Vaterland gemieden.
DER MUSIKER.
Hier ist das Land der Kunst, doch ist es etwas heiß,
Beliebt es Ihnen auch, ich nehme ein Glas Eis.
DER DICHTER.
O welches fromme Haus,
Hier stößt mich keiner aus.
O welche milde Hand
Hat Labung mir gesandt;
Ich armer Knab ging aus
Mit einem Blütenstrauß,
Und wollt ein wenig sehn,
Woher die Lüfte wehn,
Die milde zu uns dringen,
Daß alle Kehlen singen.
O Haus voll sanfter Luft,
O Haus voll reichem Duft,
Auch Früchte find ich hier,
An deiner offnen Tür.
Hier streckt ihr Riesenhaupt
Melone aus der Erde,
O wär es mir erlaubt,
Zu folgen der Gebärde:
Sie will gegessen sein,
Doch nimmer ganz allein,
Gebt Zucker, hohe Götter,
Und lachet nicht ihr Spötter,
Zuviel ist dieses all,
Daß ich es einsam fühlte,
Genießt mit mir einmal,
Was meinen Durst erkühlte;
Ach wären auch die Meinen hier,
Das wär viel lieber mir.
DER MUSIKER.
Sie haben recht mein Freund, wenn man's bei uns nur wüßte,
Sie kriegten all danach ein mächtiges Gelüste;
Versuchen wir einmal, es möchte uns wohl glücken,
Gebacknes Obst von hier nach Deutschland auszuschicken.
DER DICHTER.
Nichts von Gebackenem,
Schnöder Gedanke!
Schaue der Ründung
Himmlischen Bogen,
Schaue die sanft verwachsene Spalte,
Schaue dies wollige
Schützende Kleid,
Schaue den duftenden
Farbigen Staub,
Fühle die Kühle.
O Aprikose
Sage, wer wagte
Je dich zu backen,
Der dich gesehen
Schwellend im Glanze
Irdischer Jugend!
DER MUSIKER.
Sie haben vielen Sinn, doch ist er viel zu weich,
Es wird kein Hebebaum aus einem schlanken Zweig,
Der Künstler sei was hart, will er die Welt besingen,
Denn da muß vielerlei ...
DER BILDHAUER.
... über die Klinge springen.
Herr, Sie haben keinen Mannesmuskel, Sie haben Froschschenkel, Ihre Lieder passen fürs Wasser, ein ew'ges Einerlei von Weinerlichkeit.
DER DICHTER.
Du von der Natur
Schändlich Gezeichneter,
Sage mir nur,
Mich, den bezeichneten
Himmlischen Adler,
Wagst du zu höhnen;
Heute ich prange
Irdischem Schönen,
Morgen entreißen mich
Götter zu sich.
DER KAMMERDIENER. Durchlaucht die Fürstin
bedauert sehr, daß sie die Herren heute nicht sprechen kann, sie wäre dringend beschäftigt.
DER MUSIKER. Gelt, mit dem schönen Griechen, lieber Herzensfreund; den Menschen müssen wir los sein, – legen Sie ihr doch morgen meine Sonate wieder auf das Klavierpult, die ich ihr dediziert habe, und geben Sie ihr doch so vor sich zu verstehen, eine goldne Dose wäre das wenigste, was sie mir geben könnte, es soll Ihr Schade nicht sein.
DER MALER. Nun vergessen Sie nicht Herzensfreund, sehen Sie doch an den Wänden herum, wo noch Platz ist; ich male für alle Arten Lichter, auch da wo keins ist.
DER BILDHAUER. Da die Fürstin nichts gegen die Lampe sagen läßt, so nehme ich an, daß sie dieselbe nehme, und das Geld schaffen Sie mir bald, lieber Bester.
DER MALER. Hört Kapellmeisterchen, holt doch einmal Euern Käse und Brot heraus, ich hab zu viel von dem süßen Zeuge in den Hals laufen lassen.
DER DICHTER.
Genießt der holden Gunst
In milder Luft zu schweben,
So wird die reine Kunst
Auf euren Lippen leben.
DER KAMMERDIENER.
Das Volk wird nie satt.
DER MUSIKER.
Die Kunst geht nach Brot.
Alle ab
2.
HYLAS tritt mit einer Mandoline auf und singt.
Wie so schwer vom Herzensgrunde
Reißen sich die Worte los,
Hängen dann noch fest am Munde,
Küssen mich fast atemlos,
Und die Augen gehn mir über
Von der hohen Töne Fieber;
Ausgestoßen von dem Munde
Flüchten sie in fremde Welt,
Ist es auch die rechte Stunde,
Wo ein jeder Ton gefällt?
Vor der bang geschloßnen Pforte
Schweigen scheu der Liebe Worte!
DER DICHTER an der Gartenmauer singt.
Worte rufen nach Gedanken,
Die Gespielen blieben heim,
Die spielordnend loben, zanken,
Da begegnen sie dem Reim,
Daß er sie in Reih und Glieder
Ordne zu dem Spiel der Lieder.
Und dem Reim folgt der Gedanken,
Beide sind ein liebend Paar,
Beid auf schmalem Stege schwanken,
Sich umschlingen in Gefahr,
Weinlaub so umschlingt die Bäume,
Daß es sie mit Glanz besäume.
HYLAS.
Hoffend tauch ich in das Grüne,
Singend in das Himmelblau,
Und die ganze Frühlingsbühne
Sagt von dir, du schöne Frau,
Könnt ich's so geläufig sagen,
Würd ich nicht nach Liedern fragen:
Muß ich nicht bedenklich werden
Folg ich dir mit dem Getön,
Ziehet kalter Wind auf Erden
Und ich hör nur sein Gestöhn,
Rings die Wärme seh ich zittern
Und die Ferne hell gewittern.
DIE FÜRSTIN in der Ferne.
Wär am Himmel sichre Helle,
Himmelglatt der Erde Rand,
Aber an des Himmels Schwelle
Ist gezähntes Felsenland.
Und der Regen tritt entgegen,
Will sich zwischen uns noch legen:
Himmels Fensterscheiben brechen,
Und die Laden donnern an,
Da ich wollt vertraulich sprechen,
Uns die Sonne ganz zerrann:
Ach ich meine im Zerstören
Warnend einen Geist zu hören.
HYLAS.
Klimm mit mir zu jenen Höhen,
Und ich sag von Liebe dir!
Ach wie ist mir nun geschehen,
Nun das Meer tief unter mir,
Hör die Steinlein drinnen schallen,
Die von meinen Tritten fallen.
O so fallen leicht vom Herzen
Meine Wort ins Freudenmeer,
Und es scheinen meine Schmerzen,
Wie die Worte mir so leer:
Halt mich fest und lieb mich wieder,
Sieh, ich stürze sonst hernieder.
DIE FÜRSTIN.
Hier laß uns weilen auf dem Rasensitze,
Denn schönern Blick gewährt wohl nie die Welt;
Wie schwingt sich alles auf in Lust und Klang,
Nur du bist stumm, mein süßer, süßer Freund.
HYLAS.
Ich sehe in ein tiefes grünes Wasser,
In tiefe blaue Luft, in blendend Feuer
Und bin ich nicht ein Stein, muß ich vergehn.
Sieh doch, jetzt ist die Luft schon wieder blau,
Ich bin noch finster wie sie eben schien,
Auch bricht die Nacht bald über uns herein.
FÜRSTIN.
So sprichst du immer anders, als erwartet
Warum kannst du nicht artig schwatzen, so wie ich;
Was in die Hand mir fällt, wird mir zum Spiel,
In jedem Blatt schenk ich dir neu ein Herz,
In jeden Stengel schling ich Liebesknoten,
Ich bring ihn dir, du schweigst und läßt ihn fallen.
HYLAS.
Du gibst zu viel, und sollt ich's all bewahren,
Ach ich erläge unter Dankes Last;
Hab ich's dir nicht gesagt, als wir zum ersten Male
Vertraulichkeit mit unsern Lippen tauschten:
Sind meine Augen dir nicht klar wie Glas,
Ins Innere des Herzens mir zu lesen,
Durch meine Zunge läßt es sich nicht aus,
Und nur wie Funken aus dem Stein geschlagen
Entwickelt sich ein kurzer Schein, wer den
Nicht fängt, in Flammen höher auf zu lodern,
Der kennt ihn nicht, dem bin ich tot,
Und wie in einem Sarg in mir verschlossen.
FÜRSTIN.
Verkenne nicht mein sorgliches Nachfragen,
Die Lieb spricht gern ein überflüssig Wort,
Damit sie nicht, was irgend not, versäume, –
Nicht ich bedarf der steten Rede Spiel,
Es saget mir dein lieber Blick so viel,
Wenn meine Hand dir Stirn und Wang berühret,
Es sagt mir mehr, als je ein Mund gesagt,
Wenn ich dein Herz lebend'ger schlagend spüre,
O welches Lied kann hüpfen also leicht.
Nein nicht um mich brich dieses lange Schweigen,
Mit dem du oft an meinen Blicken haftest,
Nur ich, ich fürchte, du bemerkst an mir,
Was dir mißfällt, was du mir gern verschwiegest.
HYLAS.
So kommt ihr her, aus eures Nordens Wüste,
Den lieblichsten Genuß mißgönnt die Furcht,
Die sonst um euch in der Natur gelauschet,
Bis sie den Weg zu eurer Seele fand;
Wie ihr sonst schwindelnd auf den Bergen standet,
So steht ihr fürchtend auf der Liebe Wipfel!
Es mögen Flammen aus dem Wipfel steigen,
Die Länder beben in dem innern Grund,
Hier lasse schwinden alles eigne Leben
Von einem Leben, das uns all durchdringt,
Das heftig unsern Atem hier bewegt
Und mit dem Mond, der dort dem Meer entsteigt,
In einer Nacht für Millionen lebt.
Bewahren läßt sich nichts und viel genießen,
Mir lasse ganz des Busens Freude scheinen;
Und was dir noch von alter Sorge bleibt,
Das schreibe all an alte Freund nach Haus,
In jene Gegend, wo sie immer sorgen.
FÜRSTIN.
Ach wohl bekenn ich mich der Sünde schuldig,
Mit Wahn den keimenden Genuß zu stören,
Doch ist er nicht so leer, mein schöner Knabe;
Auf meinen Wangen prangt nicht mehr die Frische,
Mit der du gern in jeder Frucht dich siehst,
Mit allen Lüften fühlst und dich bewegst,
Und was in mir geschieht, ist fast geendet.
Sieh morgens nur dein Angesicht im Wasser,
Es wird bewegt von wechselndem Verlangen,
Es wird bewegt wie von der Luft das Feld
Und es vergeht kein Tag, wo du nicht lernest,
Wo du nicht wächst zum größern Manne auf.
O sag, in diesem Blick, was sagtest du,
O sag, was dachtest du im Augenblicke.
HYLAS.
Beim Zeus, ich dachte nicht, ich sah dich an,
Wie von der Lampen Schimmer du erhellt,
Die einen neuen Tag in Nächten schaffen,
Und hab ich mehr gedacht, ich weiß nichts mehr;
Beim Zeus, du denkst dir gar zu viel in mir,
An deiner Seite denk ich nur an dich.
FÜRSTIN.
O schweig, es war der lieblichste Gedanke,
Du willst mit neuer Lust mich überraschen,
O daß du mir so was verbergen kannst,
Daß ich nicht ganz in dir mich kann verlieren,
Nicht kann mit deinen dunklen Augen sehen,
Mit deinen Pulsen nicht die Zeit mir messen!
Bewache mich, daß ich die Brust dir nicht
Zerreiß, mein Schicksal dir im Herzen lesend;
Wie jene Deuter in der alten Zeit
Die schönsten Menschen opferten, um dann
Aus ihrem Innern Künft'ges zu vernehmen;
Dann wär ich ja mit meinem Schicksal fertig.
HYLAS.
Du läßt mir gar nichts übrig, dir zu sagen,
Denn wie das Meer Italien umspannt,
So sanft, so wild, so schrecklich und so lieblich,
So regst du jeden Sinn in dem Gemüte,
Und gibst ihm gleich ein ewig deutlich Wort.
Was kann ich mehr noch, als dein Nachklang sein,
Und Beßres immer, als dein Widerhall.
FÜRSTIN.
Was ich dir gebe, bring ich dir zurück,
Ich hab's von dir, du nichts von mir empfangen,
Denn wie die Biene alle Blüten regt,
Die an der Erde träge duftend liegen,
Mit ihrem Atem nicht, mit ihren Flügeln,
So regen auch, wenn du die Arme um mich legest,
Sich alle frohen Blüten wieder auf.
HYLAS.
Und wie ich jetzt so an mein Herz dich drücke,
Da fühl ich in dem Augenblicke wieder,
Was ich oft überhört, wenn du gesprochen;
Du weißt, ich habe manchen alten Traum,
Der mich nicht läßt, hab ich ihn gleich verlassen.
FÜRSTIN.
Ich sitz dir stets zur Beichte, leg den Mund
Dir immer an das Ohr, dir zu bekennen,
Was in mir vorgeht; nun bekenn mir auch,
Was ist es für ein Traum, der dich bewegt,
Der dich aus meinen Liebesnetzen zieht
Und an den wesenlosen Himmel mahnt,
Dem ich dich schöner Vogel hab geraubet;
Ein nutzlos Mühen hast du so verloren,
Sieh wie die Vögel steigen, um zu fallen,
In meiner Liebe steigst du immerdar.
HYLAS.
Du bist mir Vaterland und Freiheit, alles
Was ich verloren und – was ich gehofft.
Und füttre ich die Tauben und die Schwäne,
Mir sind sie lieb, weil du zu ihnen lächelst,
Nach keinem Ausflug mehr verlangt mein Herz;
Denn gar ein wunderbares geist'ges Leben
Seh ich in deinen Künsten überschweben.
Ach wär ich doch ein Bild von deiner Hand;
Verachte meine kleinen Künste nicht,
Der Himmel treibt die Gärtnerei mit mir.
FÜRSTIN.
Der Himmel will dir wohl, er denkt wie ich,
Du weißt es ja, ich freu mich jeder Blume,
Die du mir sorglich aufgezogen hast;
Und ihre Kränze sind lebend'ger doch,
Als alles, was mein Pinsel dir kann zaubern.
Erfreu dich deines Werks, weil ich's bewundre,
Und rühmen keine andre deinen Garten,
Gedenk, ich leb darin die schönsten Stunden.
O sieh die Malven, die du einst geflochten,
Zum Zelte mir, wo wir so traulich schliefen,
Sieh, wie die Sonne heut daran gewelkt;
Gewiß, sie schmachten heut nach frischem Regen;
Ich muß vergelten, wie sie mir getan,
So will ich sie auch heute noch erquicken.
HYLAS.
Sie sind so schöner Mühe doch nicht wert.
FÜRSTIN.
Ich bitte dich, o laß mir diese Sorgen,
Denn eine Sorge muß ich immer haben,
Wie du mir oftmals liebend vorgeworfen.
HYLAS.
So seh ich dir hier unterm Kirschbaum zu,
Und jeder deiner Schritte scheint mir Tanz,
Und Anmut schwebt in jeglicher Bewegung;
Ein schöner Demantstrom entrinnt der Hand,
Im Lampenschimmer düftet's rings so frisch.
FÜRSTIN singt während des Begießens der Blumen.
Der Himmel ist oft hell, kann dann bald weinen,
Deckt seine klaren Augen zu,
Die auch verhüllet noch zu trauren scheinen,
So glänzest du, so scheinest du.
So traure du, so sei verlassen trübe,
Ja regne Tränen ohne Zahl,
Wenn wandelbar einst unsre Liebe,
Denn solches Glück besorgt den Fall.
In wunderbar geflochtner stummer Liebe
Ist so besorglich schon die Qual,
Daß sie so gern zur Totenfeier hübe
Den frohsten Blick zum Sternensaal.
Du stiller Winter wehest schon vom Himmel,
Ihr weißen Wolken, ew'ger Schnee,
Ihr zieht schon vor die Sterne mit Getümmel,
Der Mond stürzt weinend in die See.
Hier blüht der Garten, Lilien, deine Wangen
Mit Tausendschönen mischen sich,
Wo keusche Rosen schwankend überhangen,
Schwül ist die Luft für mich und dich.
HYLAS singt halb träumend.
Der Kirschbaum blüht, ich sitze da im stillen,
Die Blüte sinkt und mag die Lippen füllen,
Auch sinkt der Mond schon in der Erde Schoß
Und schien so munter, schien so rot und groß;
Die Sterne blinken zweifelhaft im Blauen
Und leiden's nicht, sie weiter anzuschauen.
Die Fürstin verliert sich unter Blumen; Hylas schläft ein.
3.
DER KANZLER tritt durch die Gartentüre ein.
Dies ist der Fürstin Schloß, ich hab's erkannt
Nach dem Gemälde, das sie uns gesendet,
Doch kaum erreicht hat ihrer Maler Kunst
Den Reichtum dieser wunderbaren Gegend,
Die weit umher in nächtlicher Beleuchtung glänzet,
Als sei ein ew'ger Tag rings um sie her.
Wie fühl ich mich so weich in diesem Land,
Als würd ich erst in meinem Alter reif,
Und grausam soll ich sie dem Land entreißen?
Ich werde alt, ich wünsche auch Genuß,
Wie lange soll mich noch die öde Arbeit halten,
Die in sich selber ungeheuer wächst,
Da meiner Kräfte Schnellkraft sich verlieret,
Daß ich sie nur im steten Kampf mag zähmen;
Wo find ich Ruhe bei geliebten Wesen?
Und meine Fürstin hat sie hier gefunden!
Ich hab nicht Weib, nicht Kinder, weh mir Armen,
Und für die Liebe bin ich nun zu alt.
Ja Mond, so geht es in der Welt: dem Jüngling
Versprachst du viel, und so läuft alles ab.
Er sieht Hylas.
Welch schöner Jüngling ruht hier unterm Kirschbaum!
An diesem Bild der Fürstin, das ihn ziert,
Erkenn ich ihn, es ist der schöne Grieche,
Der ihre Neigung so allmächtig fesselt.
Nie sah ich Schönheit in so wilder Stärke,
Dir soll's nicht fehlen, schlafe ruhig fort,
Ich reiße dich aus der Geliebten Armen,
Die eher deine Mutter könnte sein.
Ich führ als Vater dich ins junge Leben,
Du bist geschickt zum Kriege, wie zur Liebe;
Ich fühl an dir ein väterlich Gefallen,
Und muß ich dir auch heute wehe tun,
Ich kann es bald als Vater dir vergüten.
Wer weiß, ob du dich viel darum bekümmerst,
Denn aufwärts klimmt die Neigung gar zu selten.
Daß sie dich liebt, ich kann es wohl begreifen,
Doch deine Neigung kann nicht dauernd sein.
Ich löse schnell, was sich bald selbst vernichtet. –
Die Fürstin kommt; jetzt träge Überlegung,
Jetzt weiche, mach der Ü