Die Germanomanie

Wer länger schon als ein Vierteljahrhundert, und vollends um eine solche Zeit wie die des letzten, in der Ideenwelt gelebt oder wer das Treiben und Handeln der denkenden Köpfe von Ausbruch der Französischen Revolution an bis jetzt zu beobachten Gelegenheit hatte, dem wird endlich das Resultat werden: daß auch in dieser Region der Liebe zum Wahren und Vortrefflichen ein gewisser, in der Natur angeordneter Kreislauf sich erhärtet.

Werfen wir nun einen Blick auf den Ideengang, der den Menschen über die wichtigsten Angelegenheiten ihres physischen und intellektuellen Seins während des letzten Vierteljahrhunderts geworden, so dürften wir finden, daß sie diejenigen Anordnungen, welche von Ewigkeit her in ihrer Mitte bestanden und die eine Folge ihrer körperlichen und geistigen Organisation sind, welche das begründen, was wir Wissenschaft, Kunst und Sittlichkeit nennen, die drei Pfeiler der in der Idee begründeten Menschheit daß sie dies alles mit Betriebsamkeit und Aufopferung auszubilden, zu läutern und zu reorganisieren suchten.

Der befangene Beobachter oder derjenige, dem die Grundprinzipien der Welt sich bloß nach den vormals bestandenen oder zu seiner Zeit bestehenden Formen darstellen, sah in der Rotation, in dem Wogen der verschiedenen Grundstoffe des menschlichen Seins und in dem Kampf zwischen Vernichtung und Dasein, der sich seit fünfundzwanzig Jahren in dem Gebiet der Religion, der Politik und der Wissenschaft, als den drei Repräsentanten der im Menschen liegenden Prinzipien seiner Intellektuellität, vor unsern Augen entfaltete, den Untergang aller Sittlichkeit, alles Staatenvereins und aller Geistesbildung.

Anders sah aber der denkende Kopf, der in dem Gang der Erscheinungen dieser Welt einen allgemeinen gesetzmäßigen Lauf der Dinge ahnt und solchen darin aufzusuchen sich bestrebt, anders sieht und folgert er. Es ging und geht aus dem sich angehäuften Chaos eine verjüngte Form von allen Grundfesten des menschlichen und bürgerlichen Daseins hervor. Wir haben nun beinahe wieder einen von Kreisen durchlaufen, die der Menschheit zum Fortschritt ihrer Vollkommenheit vorgezeichnet sind, wir stehen wieder auf dem Punkt, von welchem vor ungefähr fünfundzwanzig Jahren die Menschheit ausgegangen und exzentrisch sich fortbewegte. Wir haben die Anwartschaft, Religion, Staatsverfassung und Wissenschaft ganz nach den bisher bestandenen Zwecken in dem Kreise der Menschheit fortleben zu sehen wie vormals; aber verfeinert, bereichert mit den mancherlei Erfahrungen, Ansichten und idealen Empfindungen, die das menschliche Gemüt in dem Drängen und Treiben der Nationen und der revolutionären und exzentrischen Köpfe sich eigen zu machen Gelegenheit fand. Die Menschheit gleicht jetzt dem Ulysses, der nach mancherlei Wanderungen in die Heimat zurückkehrt; wie er, erscheint sie erschöpft und armseligen Ansehens. Indes laßt sie nur sich erholen; sie wird nicht athletisch, aber besonnen und gewandt die Kräfte handhaben, die ihr zu Gebote stehen.

Es darf nicht befremden, wenn in diesem fieberhaften Zustande, in welchem die Menschheit ein Vierteljahrhundert vegetierte, denkende Köpfe, vorzüglich in Deutschland, wo bisher immer mehr gedacht als gehandelt worden, in dem chaotischen Zustand der Dinge bald das Heil der Welt erblickten, bald aber wieder den Untergang der Weltordnung ahneten. Sie sahen in dem Gange der Begebenheiten nicht einen Prozeß, den die Natur mit dem menschlichen Gemüt vornimmt, um es zu steigern für die Fortschritte, die der Mensch in technischer und sinnlicher Hinsicht gemacht, oder es zu verfeinern. Nein! Sie wollten eine neue Ordnung der Dinge oder einen förmlich reinen intellektuellen Zustand dem Menschen bereitet sehen.

Es sollten Religion, Regierung und Gesetzgebung, in Hinsicht ihrer positiven Seite, ganz aufgegeben werden; man wollte nur Naturreligion, Republik und gleiche Rechte im Kreise der Menschheit verpflanzt wissen. Für dieses Experiment, das der Fortgang der Französischen Revolution nur möglich machte, stimmten alle die denkenden Köpfe in Deutschland, die seit einem Zeitraum von zwanzig Jahren in der intellektuellen Welt die Richtung der Geister betrieben, dahin tendierten die transzendentalen Idealisten, die Anhänger des Identitätssystems und ein Heer Afterund Nebendenker, die, wie Trabanten und Nebelsterne, die großen Lichter arn Horizont der Geisterwelt zu urnschwärrnen pflegen.

Die meisten von diesen noch lebenden Anhängern der neuen Schule, als Buchholz, Arndt etc., wollen es jetzt nicht mehr wissen, daß sie als lebhafte Anhänger der Grundsätze und Ideen sich proklamierten, welche durch die Revolution in Frankreich unter den Nationen verbreitet wurden. Eitle Scham! Wer wird ihnen dieses zurechnen. Jene Grundsätze und Ideen hatten eine hohe Idealität, und Idealismus für Wissenschaft und Kunst war der Stein der Weisen, den die philosophischen Adepte an den Mann zu bringen suchten.

Während nun in Deutschland mancherlei aufgeboten ward, um eine revolutionäre Denkart geltend zu machen, sähe man in Frankreich durch sie den schrecklichsten Zustand herbeigeführt. Die positive Religion ward dort nicht durch Religion, sondern durch Freigeisterei verdrängt; die verjährten Regierungsrechte wurden angetastet, endlich über den Haufen geworfen und nicht durch feste Grundsätze des Staatsrechts, sondern durch einen immerwährenden Wechsel demagogischer Gewalt und tyrannischer Willkür ersetzt, und die positive Gesetzgebung, gefährdet und hintenangesetzt, mußte einer frechen Handhabung des Eigentumsrechts weichen.

Die Folge war nun, daß das Resultat der Revolution, welche in Frankreich wütete, sich über die dasselbe umgebenden Länder verbreitete. Die Macht, alles nach den neuen Ansichten zu konstituieren, verblieb bloß in den Händen der Franzosen. Sie waren es, die den Meister spielten, und es geschah daher nichts fürs Heil der Menschheit, sondern fürs Heil der Franzosen.

Indes der allmähliche Verfall des Republikanismus in Frankreich, die Wiederherstellung der alten Ordnung durch allmähliche Einführung eines Oberhaupts und der Mißbrauch, den dieses Oberhaupt durch seine Übermacht von seinem Einfluß auf die Völker, vorzüglich die Deutschen, machte, reizte das Ehrgefühl der idealen Politiker in Deutschland auf. Sie wollten sich von dem Oberhaupt Frankreichs nicht in dem Grade wie von den republikanischen Grundsätzen dominieren lassen, und so entwickelte sich denn jene Idee der bei ihnen, die dahin tendierte, daß alle diejenigen Ideen, die für den ganzen Kreis der Menschheit in dem Idealismus ihre Anwendung erhalten, durch jene bestimmte Richtung ihres Gemüts ihre bestimmte Anwendung bloß für die Deutschen erhalten sollten.

Die höchsten Interessen der menschlichen Natur, Religion, Vaterland, Recht, erwarben in dem Gemüt der deutschen Denker nunmehr ein eigenes Gepräge, das sich durch eine Gemütsäußerung aussprach, die man füglich benennen könnte.

Die fixe Tendenz oder das einzige Bestreben der war und ist es noch, in der Deutschheit gegen die ein Gegengewicht zu erlangen. In dieser Hinsicht wurden nun alle Hebel aufgeboten, den denkenden Teil Deutschlands für die Idee von Deutschheit empfänglich zu machen, als das einzige Mittel, gegen das Joch der gallischen Tyrannei sich zu waffnen, um es endlich durch beharrlichen Widerstand ganz abschütteln zu können.

Die Hauptwirkung, die man sich von der aufgeregten Idee der Deutschheit versprach, war nun, daß die deutschsprechende Nation, welche der Lauf der Begebenheiten gleichsani aufgelöst hatte und die in einer wahren Entzweiung lebte, wodurch es einzig und allein den Ausländern gelang, ihren Einfluß zu behaupten, unter einen Hut gebracht und zum gemeinsamen Streben für ihre Freiheit und Selbständigkeit aufgeregt werden sollte.

Das größte Hindernis, diese Einheit zu bewirken, lag aber in dem religiösen Zwiespalt Deutschlands, in dem Antagonismus der Katholiken und Protestanten. Dies zu beseitigen, ward nun von unsern idealistischen Denkern das protestantische Christentum zu einer Idealität gesteigert, die es der Richtung des Katholizismus näher brachte, und so bemerkte man unter den denkenden Köpfen des protestantischen Deutschlands allmählich eine religiöse Geistesrichtung, die gleichsam dem Katholizismus huldigte. Philosophen, Dichter, Künstler und Politiker sprachen, schrieben und stellten dar in einer in Nimbus der Legendenheiligkeit gehüllten Stimmung, und die Begeisterung für diese Stimmung gedieh schon so weit, daß der Katholizismus in mehreren Anhängern an dieselbe laute Bekenner und Proselyten erhielt.

Nichts war natürlicher, als daß bei diesem verblendeten und warmen Enthusiasmus für jenes gesteigerte Christentum gegen jede religiöse Denkart anderer Weise eine befangene Gesinnung sich entwickeln mußte. Die Denkart des Philosophen, der liberalen Konfessionen des Christentums und die der Juden ward als Hindernis für den Fortschritt des gesteigerten Christentums betrachtet, und natürlich war dann immer eine von diesen Denkarten das Stichblatt unserer intellektuellen Tonangeber und Identitätsphilosophen, die sich nun oder nannten.

Christentum und war bald in eines verschmolzen; dies ist für den transzendentalen Idealisten und Identitätsphilosophen ein leichter Prozeß. Es ward so von ihnen gefolgert. Deutschlands Rettung von dem Joche der fremden Tyrannei kann nur vorbereitet werden durch Einheit und Einigkeit des Volkes in der Idee. Die Einheit und Einigkeit in der Religion spricht dies Erfordernis ganz aus; dies soll nun durch den zum Katholizismus gesteigerten Protestantismus hergestellt werden, und so bestand daher für diese Denker ein oder eine , die sie zu gründen und zu verbreiten sich vorsetzten.

Die Anhänger dieser Lehre fanden freilich hin und wieder ihre Gegner an den echten, unbefangenen Denkern Deutschlands und wahren Protestanten, indes sie hatten doch ein ganzes Heer von jungen Männern durch ihre enthusiastische Denkart elektrisiert, und so konnten sie ungestört mehrere Mittel ausbilden, ihren Zweck zu erreichen.

Es darf nicht befremden, daß nach den Ansichten dieser enthusiastischen Idealisten, wodurch Deutschheit und Christentum so verquickt werden sollten, daß eines das andere auszuschließen nicht vermögend war, von ihnen vorzüglich in den ein Gegensatz dieser Lehre vorgefunden ward, und daraus läßt sich denn erklären der rohe und abschreckende Ton, in welchem am Ende des achtzehnten Jahrhunderts von Fichte, einem der ersten Restauratoren der neuen Lehre, an bis herab auf seine Schüler und Verehrer gegen Judentum und Juden losgestürmt ward.

Die Anfälle sind gefährlicher und nachdrücklicher, da sie eine potenzierte Quelle haben. Die Juden, heißt es, sind weder Deutsche noch Christen, folglich können sie nie Deutsche werden. Sie sind als Juden der Deutschheit entgegengesetzt, folglich dürfen sie die Christen nicht als ihresgleichen aufnehmen und können sie unter ihnen höchstens mit der Einschränkung geduldet werden, daß man überzeugt sei, sie treten der Deutschheit nicht in den Weg.

Diese Grundsätze verbreitete ein unter dem Namen im nördlichen Deutschland sich gebildeter Verein in dem Zeitraum, wo Deutschland dem ganzen Druck des gallischen Despotismus erlag. Er proklamierte seine Grundsätze in Broschüren und Pamphlets, die er mitunter mit hieroglyphischen Deutungen ausgab[1], und er scheint innig verwandt und in Einverständnis mit dem sogenannten gewesen zu sein, über den Herr Schmalz und mehrere Männer von wahrem deutschen Sinn kürzlich so mancherlei zur Sprache gebracht.

Man muß die Menge, um auch sie für eine Ansicht oder Lehre einzunehmen, zu begeistern suchen; um das Feuer der Begeisterung zu erhalten, muß Brennstoff gesammelt werden, und in dem Häuflein Juden wollten unsere das erste Bündel Reiser zur Verbreitung der Flamme des Fanatismus hinlegen.

Der Fanatismus kennt aber keine Grenzen. Er blieb bei der Idee, die Juden seine Geißel fühlen zu lassen, nicht stehen. Kaum war Frankreichs Despotismus gebrochen, so gingen unsere noch weiter. Arndt, Jahn etc. und mehrere Nachbeter derselben wollten nun schon keinen Franzosen mehr in Deutschlands Gauen dulden, sogar die Sprache der Franzosen sollte aus Deutschlands Marken verbannt sein, und bei Verfolgung der fixen Idee der Germanomanie: alles Fremdartige von Deutschlands Boden entfernt zu sehen, geht endlich der lauteste Germanomane der jetzigen Zeit in seiner neuesten Broschüre so weit, auch gegen England, das von den Germanomanen mit Huld bisher behandelte England, eine vollständige Philippika abzuhalten.[2]

Wer wird und muß es nicht dem deutschen Gemüt für eine hohe Tugend anrechnen, seine Selbständigkeit und Eigenheit von der Willkür einer ändern selbständig sein wollenden Nation zu befreien? Wer wird es dem Deutschen verdenken, wenn er heute gegen die Tyrannei des Franzmanns, morgen gegen die des Engländers und endlich so gegen die Tyrannei einer jeden fremden Willkür sich erhebt, und das mit der Kraft, die des deutschen Volkes Erbe ist? Aber die Hebel, welche der intellektuelle Teil deutscher Nation seit kurzem aufbietet, um diese Kraft in Bewegung zu setzen, dies wird jeder Unbefangene einräumen, waren nicht von der Art, daß sie eine kräftige und biedere Nation ehren sollten.

Beleuchten wir ein wenig näher die Hebel, welche unsere ansetzten, so finden wir zuerst, daß die Christusreligion als Erbteil der Väter in hohe Protektion von ihnen genommen ward, und um darin ein heroisches Mittel für das protestantische Gemüt zu besitzen, ward von denen protestantischen Denkern, die an der kränkelten, der in bedeutender Dosis darin verwendet. Frömmelei, abenteuerliche Bilder, affektierte Anhänglichkeit an dogmatische Formen und Geheimnisse waren die Maschinen, welche mit allem Nachdruck die schöne Richtung, in welcher Zollikofer, Spalding und Teller die christliche Religiosität erhielten, verdrängten. Jene Besonnenheit und Lauterkeit, welche das protestantische Deutschland selbst in den religiösen Ideen begründet hatte, wurden mit der Kraft eines begeisterten Fanatismus von unsern katholisierenden Denkern bestürmt und gehöhnt. Der Erfolg davon war, daß in dem Gebiet der Kunst und der Philosophie sich ein exzentrischer Geist verbreitete, der die Denker und Dichter, welche Deutschlands Kultur im achtzehnten Jahrhundert auf eine hohe Stufe der Bildung emporgehoben, für flache, bodenlose Wesen erklärte. So ward in Deutschland der Keim zu einer Denkart und einer Literatur gelegt, für die von den Fichten, Schlegeln, Wernern, Müllern etc. und einem ganzen Heere ihnen zu Gebot stehender junger Männer, im nördlichen Deutschland mit dem glücklichsten Erfolg, ein hoher Grad von Empfänglichkeit aufgeregt ward. Nachdem man in geistiger Hinsicht einen Gegensatz gegen fremde oder gallische Tyrannei glücklich begründet zu haben wähnte, wollte man auch einen irdischen Gegensatz aufstellen, und es ward nun die kräftig und nachdrücklich empfohlen. Um beim Volke Empfänglichkeit dafür zu finden, wurden Äußerungen vorgebracht, die Grundsätze verrieten, welche dem Geist der Zeit entgegenzuarbeiten vermögend sind. Deutschland, hieß es, ist vor uralten Zeiten einem Volk anheimgefallen, das sich in Hinsicht des Charakters, der Denkart, der Sprache und der Sitte von allen ändern Nationen unterscheidet. Diese Individualität, die im Laufe der Zeit und durch den Gang der Begebenheiten zerrüttet worden, wiederherzustellen und zu erhalten ist der Beruf eines jeden echten Deutschen. Hierzu ist nun die erste Bedingung, alles Fremde, von außen her Eingewanderte von Deutschlands Gauen zu entfernen und Deutschland gleichsam für einen geschlossenen Staat zu erklären.

So waren also Religion und Vaterland, diese beiden Ideen, welche in den Staaten des Altertums die herrschenden Prinzipien ausmachten und deren Stärke und Festigkeit begründeten, in der neuem Zeit von den als die lichten Punkte aufgestellt und empfohlen worden, um Deutschland wieder zu Kraft und Ansehen zu bringen. Die Fortschritte, die der menschliche Geist in Hinsicht seiner Denkart über Religion, Nationalität und bürgerliche Verfassung gemacht, waren keinesweges berücksichtigt, vielmehr sollte in Deutschland wieder der Zeitgeist des Mittelalters aufleben, wo der Pfaffengeist seine Macht zu üben und das Feudalrecht sein Haupt emporzuheben vermochten.

Diese Absicht ward von mehreren ziemlich klar schon angedeutet. Zum wenigsten verfehlte Herr Adam Müller[3] nicht, dem Mittelalter eine kräftige Lobrede zu halten und es in Hinsicht seiner Vortrefflichkeit dem unsrigen zum Muster aufzustellen, so wie mehrere zur Beförderung echt deutscher Gesinnung nicht allein die Verbreitung des Katholizismus als den kräftigsten Hebel empfahlen, sondern auch durch den Übergang zu demselben die Aufrichtigkeit ihrer Gesinnung erhärteten.

Unglaublich wirkte diese Tendenz der zum Katholizismus auf den großen Haufen der Afterdenker und Schwachköpfe. Dies geht ganz natürlich zu. Der Katholizismus, wie er von den gehegt und gepflegt wird, hat mehr Intensität als der in den katholischen Landen herrschende. Es zeigt sich in den Gesinnungen der über die geheimnisvollen Lehren des Christentums eine Salbung, ein Mystizismus, der sich bei dem wahren Katholiken in dem Grade nicht äußert. Dem kalten und unparteiischen Beobachter wird es daher nicht entgangen sein, daß der Protestantismus, der, wie das Wort gleichsam es andeutet, dem Katholizismus entgegenstehen sollte, von den bedeutendsten mit der ihnen eignen Innigkeit und Herzlichkeit so umstrickt wird, die ihn eigentlich von seinem wahren Geist entfremdet und ihn gleichsam dem alleinseligmachenden Glauben unterordnet. Man könnte den mystischen Geist, der jetzt in dem protestantischen Deutschland in Hinsicht des Christentums sich so lebhaft regt, füglich den Katholizismus, im Gegensatz des Katholizismus, der im katholischen Deutschland dominiert, nennen.

Dieser ideale Katholizismus, da er in tieferen Regionen des menschlichen Gemüts sich entfaltet und daher wirksamer als der reale ist, muß nun da, wo er sich mitteilt, weit nachdrücklicher und bestimmter seinen Einfluß behaupten. Er ist also weit mehr zu berücksichtigen. Die Anhänger desselben sind gleichsam für ihre Meinung mit einem hohen Grad von Fanatismus oder mindestens Enthusiasmus eingenommene Wesen, die deren Unverletzlichkeit mit Beharrlichkeit behaupten werden, und mag darüber um und neben ihnen der Zustand der Dinge seinem Untergang entgegeneilen, so betrachten sie dies als ein geringes Opfer ihrer Individualität.

Für jeden selbst katholischen Staat ist es bedenklich, so gestimmte Gemüter in seiner Mitte zu hegen. Befangen von ihrer idealen Religiosität, werden sie selbige mit den Gesinnungen des Volkes zu assimilieren suchen, und könnten sie endlich Herren der Volksstimmung werden, vor welchen die Regierung ihre edelsten Plane nie durchzusetzen vermögen dürfte, wenn sie diese geistigen Stimmengeber für ihre Absichten nicht zu gewinnen wissen wird.

Indes dürfte aber in katholischen Landen der Katholizismus nicht in so hohem Grade wirksam sein oder die Phantasie der Völker ergreifen, weil das Volk daselbst, an symbolische oder zeremoniöse Darstellung der Religionswahrheiten gewöhnt, für die ideale oder fanatische Darstellung derselben nicht die dazu erforderliche Tiefe des Gemüts innehaben wird. Anders ist es in protestantischen Landen, dort ist im allgemeinen die Tiefe des Gemüts durch äußere Ritualien der Religion nicht unterminiert. Winke, Worte, Andeutungen, die Religion betreffend, welche ein guter Kopf unter eine Masse für Ideen empfänglicher Wesen hinwirft, fassen sofort einen festen Grund, sie werden gleich ein Gegenstand der Meditation, die gemütlichsten Köpfe sind dafür gewonnen und werden elektrisch von jeder Berührung getroffen, in die sie mit denen geraten, die sie in religiöser Absicht anzusprechen verstehen.

Daher hat sich die frömmelnde Religiosität in neuerer Zeit im nördlichen Deutschland, der Wiege des Protestantismus, zum Erstaunen des Beobachters des Geistes der Zeit, lebhafter und deutlicher ausgesprochen, als es im südlichen Deutschland, dem Sitz des Katholizismus, der Fall ist. Dort liegt ihr eine Idealität zugrunde, die der transzendentale Idealismus und die Identitätsphilosophie mächtig entwickelt, und ich bin überzeugt, daß die Autorität des Papstes und die Hirtenbriefe aller Bischöfe auf die genialen Köpfe ihrer Herde den Einfluß nicht haben werden, den die Fichte, Schlegel, Tieck, Schelling und wie die idealistischen Märtyrer ferner heißen mögen, über ihre Jünger geübt.

Sehr genau standen mit ihrem Enthusiasmus für den idealen Katholizismus ihre Ansichten über die bürgerlichen Verhältnisse des Menschen in Verbindung. Es war ganz in der Ordnung, daß Köpfe, welche in den mystischen Ansichten vom Christentume den Kern der Seligkeit fanden und es in dieser Hinsicht für die alleinseligmachende Religion hielten, auch in ihrem Geiste diejenigen für vorzügliche Wesen hielten, die sich diesem Glauben hingaben. Sie machten es wie die Epopten oder Hierokraten aller derjenigen Völker, welche durch ihre Ansichten ihren Einfluß zu begründen suchten; sie gingen zu Werke wie die Priester der alten Völker und Staaten, die der Nation, deren Glauben sie leiteten, und dem Boden, der sie nährte, eine Präeminenz aufbürdeten. So geschah es denn, daß von ihnen als das Höchste und Würdigste aufgestellt und von ihnen mit einem Nimbus von Vortrefflichkeit umwölbt ward, worin man vielmehr einen fieberhaften Rausch als eine vernünftige Besonnenheit ahnen könnte.

Der Deutsche, den die Natur gleichsam ausersehen zu haben schien, in sich die vielseitige Kultur aller Zeitalter und Nationen aufzunehmen, sowohl in Hinsicht der Religiosität als der Staatsverfassung und Geisteskultur, sollte nach den Ansichten dieser Adepten oder sich plötzlich von allem auswärtigen Einfluß absorbieren. Fremde Sitte und Sprache sollte er von sich weisen und die entferntesten Verhältnisse, die ihm etwas Ausländisches aneignen könnten, aufgeben. Offenherzig zu bekennen, muß der kaltblütige und unparteiische Denker über die Grundsätze, welche die sonst nicht zu verachtende Geisteskraft dieser deutschen Denker hier aufstellt, die Achsel zucken.

Was wollen diese von beschränkten Ansichten und schiefen Resultaten begeisterten Germanomanen, wie weiland Fichte und jetzt noch Arndt, Jahn etc., bezwecken? Es soll Deutschland durch sie von der Tyrannei der Fremdlinge, der es in unserer Zeit erlag, für immer befreit werden.

Ist denn Deutschland einer ändern Macht untertan worden, weil es fremde Sprachen übte, fremden Sitten huldigte und dem Auslande in Kultur und Industrie nachzustreben sich beeiferte? Mitnichten! Was Deutschland in die Gewalt des Franzmanns brachte, war die Ohnmacht seiner militärischen und bürgerlichen Kraft. Ging es denn Italien, Spanien, Portugal und Holland anders? Hätten alle Staaten von Anfang der Revolution in Frankreich die Begebenheiten in jenem Lande mehr berücksichtigt und mit der Entwickelung der politischen Kraft desselben gleichen Schritt gehalten, nie wären sie sowohl als Deutschlands Völker in jene abhängige Lage geraten, die sie noch nicht verschmerzen können. Zum wenigsten hätte Deutschland seine Macht mehr konzentriert gehabt und so dem gänzlichen Unterliegen vorkommen können.

Unsere deutschen Politiker oder häufen nun Entwürfe über Entwürfe, wie Deutschlands Kräfte so gestellt werden könnten, daß sie gegen den Andrang eines auswärtigen Feindes schnell und mit Erfolg gebraucht werden könnten.

Indes die umsichtsvollste Kunst des Diplomatikers und Politikers dürfte hier gewiß scheitern. Die Verschiedenheit der Religion, der Verfassung und der Interessen der deutschen Staaten sowohl untereinander als gegen die auswärtigen Mächte, welche letztere durch die Lage oder die Nachbarschaft mit Deutschland bestimmt werden, alle diese Umstände zusammengenommen berücksichtigt, werden es für immer verhindern, Deutschland zu politischen Körper umzubilden.

Wenn man aber die unzähligen Plane, Entwürfe und Umrisse zu einer deutschen Konstitution, einem deutschen Föderativsystem durchläuft, welche unsere Stubenpolitiker und sogenannten Schuldiplomatiker, die den Gang der Welthändel bloß aus den Lektionen kennen, welche sie in ihrem Kreise abhalten, uns zum Besten geben, muß man über die beschränkte Umsicht der deutschen Gelehrten erstaunen. Sie betrachten die deutsche Nation als ein Schulthema, das sich in Abschnitten, Kapiteln und Paragraphen darstellen lasse. Ich glaube, daß Frankreich ihnen seit zwanzig Jahren das Beispiel hinreichend gegeben, wie durch Entwürfe, die nach Abschnitten, Kapiteln und Paragraphen entworfen sind, bei Staaten und Völkern wenig ausgerichtet wird. Wenn Versuche der Art in dem einen und vormals ungeteilten Frankreich mißlangen, was dürfen wir in Deutschland erwarten?

Das Bekritteln und Zurechtweisen der Regierungen versteht man in Deutschland ebensogut wie in ändern Staaten, aber den meisten politischen Schriftstellern fehlt es am praktischen Blick und Geschäftstakt. Ihre Entwürfe gleichen größtenteils denen des St. Pierre und Mably. Sie schweben immer in höheren Regionen, anstatt auf festem Boden zu bleiben. Das rührt aber daher, weil sie von überspannten oder mystischen Ideen über ihr Land und Volk, über Deutschland und Deutsche begeistert sind. Nach ihnen ist Deutschland das Gelobte Land und deutsches Volk das von der Vorsicht ausgewählte Volk. Und eben weil sie hohe Zwecke und unendliche Plane für ihr Vaterland und ihr Volk zu entwickeln sich berufen fühlen, gehen ihre Ideen in dem Strom der Begebenheiten immer und immer unter.

Was beabsichtigen endlich diese Fanatiker in dem Eifer ihrer Germanomanie? Wozu die Anregung zu einem Kreuzzuge gegen alles Undeutsche oder Ausländische? Soll Deutschland das Beispiel zur Zwietracht und zum Nationalhaß aufstellen? Gibt es denn für Deutschland kein anderes Mittel, seine Selbständigkeit und Eigenheit zu erhalten? Hat es nicht einen Fonds von Kräften, diese Lage zu erschwingen, in der Geradheit, Betriebsamkeit und der Kraft seiner Nation?

Glücklich ist Deutschland, daß seine Regierungen sich nicht von dem Miasma der berauschen ließen. Deutschland ist frei, ist wiederhergestellt wie vormals, und bloß durch die Kräfte, die seine Regierungsoberhäupter in der treuen Anhänglichkeit der Völker an ihre Person, in ihrer Bravour und Beharrlichkeit fanden. Ehren wird es Deutschlands Völker für immer, bloß solche Hebel zur Rettung ihrer Selbständigkeit angewendet zu haben, die dem Zeitalter, wo echte Aufklärung und Menschenliebe so trefflich zu keimen begonnen, entsprachen.

Glücklich ist Deutschland ferner, daß die Idealität unserer in den Regionen der politischen Verhandlungen keinen Zutritt gewann. Wir sehen dort nur in Geschäften geübte und bewanderte Köpfe wirken, die ganz andere Ansichten von Nationen, Staaten, Allianzen und politischen Verhandlungen und Institutionen mitbringen, als unsere literarischen Kongreßadepten zutage fördern. Merkwürdig ist es aber, beiläufig gesagt, daß selbst unter den deutschen Diplomatikern, die bei den zeitigen politischen Verhandlungen wirksam sind, auch diejenigen, die einesteils von den idealen Ansichten unserer begeistert waren, von ihrer Idealität gleichsam herabgestimmt worden sind und den praktischen Ansichten, die ihnen ihre Stellen verleihen, sich unterzuordnen wissen.

Man durchlaufe doch nur die Legion von Broschüren, Aufsätzen, Entwürfen und Bruchstücken, welche das Reich der deutschen Literatur seit der wieder bestehenden Integrität Deutschlands aufzuweisen hat und worin über Deutschlands Rettung, Erhaltung und Verfassung verhandelt wird. Man durchblättere sie nur und zeige aus denselben eine Idee auf, welche für die Kongreßverhandlungen, die in Wien und Paris abgehalten worden sind oder wo noch stattfinden sollten, tauglich gefunden werden könnte, um angewendet zu werden. Kann es wohl einen in die Augen fallendem Beweis von dem überspannten oder abgespannten Ideenverkehr der deutschen Politiker oder vielmehr geben? Wird man nicht folgern müssen, daß die Zuversicht, mit welcher sie sich vernehmen lassen, keinesweges auf Geschichte, Erfahrung und Beobachtung, die ersten Elemente einer gründlichen diplomatischen Verhandlung, gegründet ist?

Bei einigem Nachdenken und einiger Bekanntschaft mit dem Ideengang der wird sich jedem leicht die Ursach ihrer Grundlosigkeit ergeben. Keiner von ihnen will sich zu dem Gedanken erheben: daß das Band des gesellschaftlichen Lebens sich jetzt mehr auf das Prinzip des Rechts als auf jedes andere gründet. Ebendeshalb weil das Rechtsprinzip eine solche Präponderanz in den Einrichtungen und Verhältnissen der Staaten untereinander gewonnen, sind sie alle eigentlich von einem sittlichen und staatswirtschaftlichen Geiste belebt, wodurch ihnen eine gleiche Wirksamkeit oder Tendenz die Tendenz zur Menschenbildung allmählich eingeimpft ward.

Man mag Rousseau, den und einigen andern Denkern auch zurechnen, an allen Übeln, welche die Französische Revolution über Europa verbreitet, schuld gewesen zu sein, man mag auch in der Deduktion ihrer Grundsätze manche Fehlschlüsse und Irrtümer aufdecken können. So viel ist aber gewiß, daß sie eigentlich in ihren Schriften solche Grundsätze zu einer Handlungsweise aufstellten, wohin die Menschheit schon seit einem Jahrhundert tendierte, nämlich zu einer .

Es mag ferner wahr sein, daß durch ihre Schriften im Kreise der Gesellschaften die staatsrechtlichen Prinzipien in Umlauf und endlich zur Sprache kamen, die sie endlich denjenigen Zustand schneller zu begründen begeisterten, den man den nennen kann. Indes der Keim zu diesem System zeigte sich bereits im siebzehnten Jahrhundert. Schon seit dem Westfälischen Frieden ward bei politischen Verhandlungen, Traktaten, Besitznehmungen nicht mehr Sprache, Religion, Urpopulation eines Landes scharf berücksichtigt. Die Erde oder der Erdball ward als eine Substanz betrachtet, die das Erbteil der Menschheit ist, wo das Bedürfnis mehrere Gesellschaften gebildet, die von verschiedenen Regentendynastien beherrscht werden. Diese verschiedenen, von verschiedenen Regentendynastien beherrschten Gesellschaften nennt man zwar Staaten, indes es ist nicht die Naturgrenze, die Sprache oder das Urvolk, das einen Boden in Besitz hat, wodurch ein Staat das Gepräge der Individualität jetzt noch einzig und allein hat. Vielmehr ist es die Regierung, die mehrere Naturgrenzen, mehrere verschieden sprechende Nationen und mehrere Urvölker unter ihrer Botmäßigkeit oder rechtlichen Handhabung zusammenhält, die den Staat bildet. So stehen jetzt die Staaten alle vor uns, so stehen Rußland, England, Preußen, Osterreich als die vier zuschlagenden Mächte Europas, und eine solche Basis haben die Staaten schon seit einiger Zeit.

Wir wollen nun einmal unsern , die den Mund immer so voll von echter Deutschheit nehmen, die in der das Ding kat exochen (orig. griechisch, Anm.) sehen, die von dem deutschen Urvolk, von der deutschen Ursprache, von der Integrität, welche man Deutschland zu erhalten verpflichtet ist, nie genug sprechen können, den Standpunkt der vorhandenen Staaten und Regierungen unter die Augen bringen und sie fragen: woher sie für Deutschland eine abgerundete, geschlossene und selbständige Verfassung hernehmen wollen. Und wenn es der Fall wäre, wenn Aussicht, dieser Federung zu genügen, vorhanden sein sollte, warum sie der deutschen Nation vor allen ändern, vor den Ungarn, Polen, Italienern, Tirolern, ja selbst Franzosen, eine solche abgeschlossene Selbständigkeit anwünschen möchten. Sie werden mit den Fichten, Arndten, Müllern etc. in der Hoheit und Vortrefflichkeit ihres Volkes vor jedem ändern ihren Anspruch begründen, sie werden auf ihre Namen als pochen, aber Gründe werden sie ebensowenig für ihre Ansprüche vorbringen können, ebensowenig wie die Franzosen, als sie sich die Nation nannten, und die Juden, wenn sie sich für das Volk Gottes achten.

Bei dem jetzigen Standpunkt der Regierungen kann es keinesweges Zweck derselben sein, in Deutschland einen Urstaat, ein Urvolk und eine Ursprache zu erhalten und aufzustellen. Er kann und wird es nicht sein. Wir sind, dem Himmel sei Dank! so weit gekommen, daß wir die Menschen nicht in Stämme und Rassen einteilen und von der Verschiedenheit des Bodens auf eine Verschiedenheit in der menschlichen Gattung folgern. Die menschliche Gattung wird jetzt durch den Namen t in staatsrechtlicher Hinsicht nach ihrem ganzen Umfange aufgefaßt, und in welchen polizierten Staat ein Glied derselben hinversetzt wird, läßt man es Ansprüche auf die Rechte machen, welche die Regierung ihren Untergebenen sichert. Es können Eigenheiten, Nationalitäten noch hin und wieder diesem Fortschritt des menschlichen Geistes in den Weg treten, es sind noch Staaten vorhanden, wo dem