Denkschrift über die Hinrichtung des Kämmerers Carl Friedrich Schulz und des Kaufmanns Carl Friedrich Kersten durch die Franzosen in Kyritz am 8. April 1807

Als die Franzosen im Kriege gegen Preußen bei Jena (am 14. October 1806) gesiegt, darauf Berlin und (fast) die ganze Mark Brandenburg besetzt, dieselbe jedoch zur Fortsetzung des Krieges in der Provinz Preußen selbst bald wieder größestentheils verlassen hatten, so daß nur wenige Truppen (und viele Beamten) in ihr zurückgeblieben waren: konnte es nicht fehlen, daß sich nach kurzer Zeit größere und kleinere Schaaren der besiegten und zersprengten, so wie derjenigen preußischen Truppen, welche sich selbst aus der französischen Gefangenschaft befreit hatten, um sie und in ihr mit der Absicht sammelten, ihren Feinden nach aller Möglichkeit Abbruch zu thun. Eben so natürlich war es aber auch, daß Leute, die vielleicht gar nicht zur preußischen Armee gehört hatten, die Entblößung des Landes von französischen Truppen aus guten und bösen Absichten zu benutzen versuchten.

Ein solcher Haufe war es, der in Kyritz, jetzt Kreisstadt der Ostprignitz, eine Greuelthat der Franzosen veranlasst hat, die gewiß eine der ruchlosesten unter den unzähligen, namentlich auch gegen Deutschland verübten Schandthaten ist, welche auf diesem Volke lasten.

Es hatte sich gegen das Ende des Monats März 1807 in Kyritz allgemein das Gerücht verbreitet, der Major Schill sei von Kolberg her mit einem starken Corps Preußen im Anzuge, die Mark von den Franzosen zu befreien, und er selbst oder doch Tausende der Seinigen würden sehr bald in Kyritz eintreffen.

Kyritz, die kleine Stadt, die noch nicht 3000, und noch dazu meistens nur arme Einwohner zählte, hatte durch den Krieg schon furchtbar gelitten.

Nach einer Chronik der Stadt, die der verstorbene Bürgermeister Behrends für die Jahre 1801 bis 1813 abgefasst hat, hatten am 24. October 1806 etwa 6000 Mann vom Corps des Fürsten von Hohenlohe, und am 26. October hatte das Corps des Herzogs von Weimar darin Nachtquartier genommen und gezehrt. Am 30. October hatte die erste Invasion der Franzosen statt gefunden, und dabei hatten namentlich Marodeure vom Corps des Marschals Soult durch eine fast allgemeine Plünderung der Stadt einen Schaden verursacht, der actenmäßig auf 6262 Rthlr. berechnet ist. Im November und December waren so bedeutende Theile des Corps der Marschäle Soult und Bernadotte und des Großherzogs von Berg durchmarschirt, daß 11 Generale, 687 Officiere und 10288 Gemeine (mit 4066 Pferden) darin Nachtquartier gehabt, und der Stadt actenmäßig einen Schaden von mehr als 31161 Rthlrn verursacht hatten.

(Der Schaden würde noch weit größer gewesen sein, wenn die Bürger sich nicht mit gutem Preußensinn und eingedenk der alten Bassewitz-zeit[1]) bewaffnet, die Thore, obgleich die Stadt keine Festung mehr ist, verschlossen und besetzt, und so einzelne wie kleine Banden Marodeure, wenn gute Vorstellungen nicht halfen, durch welche sich besonders der Archidiakonus Bornemann und der Stadtschulrector Körbin, beide der französischen Sprache kundig, große Verdienste um die Stadt erwarben, durch Gewalt verhindert hätten, in dieselbe einzubringen.)

(Auch in den Jahren 1807 und 1808 dauerten die französischen Einquartirungen, Requisitionen und Contributionen fast ununterbrochen fort; die Stadt erhielt ihren eigenen französischen Commandanten [, einen Lieutenant], und im Jahre 1808 wurde selbst noch ein großes französisches Divisionslazareth von der Division des Generals La Pisse in Kyritz etablirt, in welchem einige tausend Franzosen starben, die dann theils einzeln, theils haufenweise, versteht sich ohne Sarg, in großen Gruben auf dem Kirchhofe begraben wurden. Durch alle diese Bedrückungen litt die arme Stadt so sehr, daß immer mehrere Einwohner derselben zum Theil bis zum tiefsten Elende verarmten.)

Jetzt gegen das Ende des Märzmonats 1807, bei der Nachricht von der Annäherung schillscher Truppen gab es (gerade) auch nicht einen einzigen Franzosen in Kyritz, aber auch durchaus keine Waffen zur Gegenwehr für die Bürgerschaft, da die Franzosen sich alle Waffen ausliefern gelassen hatten; nur eine preußische Gensd’armerie von 5 Mann war auf ihren Befehl zur Aufrechthaltung der Ordnung von der Einwohnerschaft gebildet. (Diese Gensd'armes hatten sich auf eigne Stoffen uniformirt und beritten gemacht, und nur Waffen, Säbel und Pistolen von den Franzosen erhalten. Es waren der Kaufmann Ballerstädt als Brigadier, der Kaufmann Baldenius, der Schneidermeister Schulz, der früher lange als Soldat gedient hatte, der Bäckermeister Schäfer und der Maurermeister Zarges. Der erste und letzte sind schon vor geraumer Zeit verstorben.)

Dessen ungeachtet that die Stadtbehörde, was sie in der Hülflosigkeit der Stadt vermochte, um, wie mit ganzer Seele auch jeder einzelne Einwohner in unverbrüchlicher Treue an König und Vaterland hing und hielt, doch jetzt, der gefährlichen Lage der Stadt wegen, das Eindringen einzelner preußischen Streifzüge nach Möglichkeit zu verhindern.

Diese Stadtbehörde, der Magistrat, bestand aus dem Justizdirector Schrader, dem sehr alten, ganz schwachen, längst aller Geschäffte enthobenen Bürgermeister Steiniger (Apotheker), dem Bürgermeister Krüger, der indeß mit städtischen Angelegenheiten eigentlich gar nichts zu thun, sondern nur Einnahmen vom Lande u. dgl. zu besorgen, und den Titel Bürgermeister sich bloß nebenher erworben hatte, und dem Kämmerer Schulz der namentlich als Stellvertreter Steinigers auch das Einquartirungswesen unter seiner Aufsicht und Verwaltung hatte.

Auf ihren Befehl wurden die dreistadtthore geschlossen, und mit verdoppelten Wachen von Bürgern besetzt. Ja es ist sogar höchst wahrscheinlich, daß bereits vor dem Einrücken der Parteigänger der Magistrat die ihm unmittelbar vorgesetzte französische Militärbehörde unter dem Commandanten Lefebre (Lefevre oder Lebfevre) in Perleberg, der damaligen Hauptstadt der ganzen Prignitz, officiell von deren Annäherung unterrichtet hatte, denn es heißt in dem (nicht ganz deutlichen) Bericht, ( nach der davon in den Magistratsacten erhaltenen Copie,) welchen derselbe am dritten April an den Kriegs- (und Steuer)rath Buddee (der königl. Kriegs- und Domainenkammer), der in Wittstock seinen Wohnsitz hatte, schickte, wörtlich:

»Auf Ew. etc. Verordnung vom heutigen Tage (vom dritten April) sollen wir nicht verfehlen, Denenselben den Vorfall mit den sogenannten schillschen Truppen allhier so ausführlich als pflichtgetreu sofort zu berichten.« (Dieser Bericht wurde also abgestattet, ehe der Magistrat noch die entsetzlichen Folgen des unglückseligen Vorfalls ahnte.)

»Schon am 31. v. M. gegen Mittag verlautete es allhier, daß sich in verschiedenen Dörfern der Nachbarschaft, als: Brunne, Tramnitz, Teez, preußische Truppen gezeigt hätten. Ob nun gleich dieses Gerücht sehr viel Unwahrscheinliches enthielt, da wir überdies die Nachrichten nur immer von Hörensagen hatten, so wurde doch der Brigadier (der genannten 5 Gensd'armes, Kaufmann Ballerstädt angelegentlichst aufgefordert, diese Nachricht sofort (also am 31. März, Mittag) per estaffette dem Herrn Commandanten Lefebre zu Perleberg zu berichten. Er hat uns auch dieen Bericht vor der Absendung vorgelegt, und wir konnten gegen die Zweckmäßigkeit desselben nichts erinnern.«

Nun folgt die Erzählung vom Ein- und abzuge der Parteigänger und ihrem Raube, die wir gleich anführen, und näher besprechen werden, und dann heißt es weiter:

»Wir haben hiernächst diesen Vorfall dem Herrn Commandanten Lefebre mittelst Berichts sofort (am Morgen des ersten Aprils) pflichtmäßig angezeigt; weil aber der Brigadier Ballerstädt, welcher die Bestellung dieses Berichts und die ausführliche mündliche Erklärung (selb st) übernommen (hatte), den Herrn Commandanten weder am ersten noch am zweiten April hat auffinden können, indem er demselben, als er auf dem halben Wege nach Perleberg erfahren (hatte), daß er schon nach Pritzwalk abgegangen sei, vergeblich dahin gefolgt, und hiernächst eben so fruchtlos ihn in (dem Dorfe) Königsberg und Wittstock aufsuchen wollen, so ist derselbe gestern hierher zurückgekehrt; jedoch geht aus Ew. etc. Verordnung vom heutigen Tage (3. April) hervor, daß der Herr Commandant Lefebre die Abschrift des gedachten Berichts schon am 1. April des Abends bei Denenselben in Wittstock erhalten hat. «

Hieraus ergiebt sich doch wohl augenscheinlich, daß dieser Magistratsbericht an Lefebre ein zweiter, ein anderer als derjenige Bericht an denselben gewesen sein muß, welchen Ballerstädt am 31. März selbst aufgesetzt, vom Magistrat bestätigen gelassen, und dann noch am 31. März, vor der Ankunft der Parteigänger, abgeschickt hatte, und zwar per estaffette, sagt der Magistrat, und das behauptet auch ganz bestimmt der damals als Gensd’arme fungirende noch lebende Kaufmann Baldenius in seinem ausführlichen Bericht über den ganzen Vorgang. Und ganz eben so bestimmt behauptet ein andrer dieser noch lebenden Gensd'armes, Schäfer, es sei namentlich der Gensd’arme (Maurermeister) Zarges gewesen, den Ballerstädt am 31. März mit seinem Bericht an Lefebre geschickt habe, und in diesem Bericht habe ausdrücklich gestanden, daß nach den Erkundigungen dieser Gensd'armes der umher streifenden Truppen nur wenige, und noch dazu schlecht bekleidete und bewaffnete zu sehen gewesen wären.

Ja, dies scheint dadurch sich zur unwidersprechlichen Gewissheit zu erheben, daß der Anführer des Streifzugs Fischer, wie wir bald hören werden, es dem Magistrat zum bittern Vorwurfe machte, vor der Ankunft der preußischen Truppen schon Berichte darüber, von denen er also etwas erfahren haben musste, an die Franzosen abgeschickt zu haben.

Schon hieraus erhellet doch wohl unwiderleglich, daß durch aus keine Verbindung des Magistrats mit den Freibeutern statt gefunden und statt finden gekonnt hat. Auch ist es historisch reine und volle Wahrheit, daß kein, auch nicht ein einziger Kyritzer Bürger unter denselben war.

Nur zwei Mann wurden erkannt, die früher unter der Garnison der Stadt vom Cuirassier-, dem sogenannten gelben Reiterregimente des Generals von Beeren gestanden hatten.

Dieser General von Beeren, den die Franzosen bei Lübeck gefangen genommen, jedoch auf sein Ehrenwort, nicht gegen sie dienen, nichts gegen sie unternehmen zu wollen, wieder frei gelassen hatten, lebte selbst in Kyritz, konnte und durfte aber, eben seines Ehrenwortes wegen, bei diesem ganzen Vorgange sich um nichts bekümmern.

Was nun das unglückselige Einrücken und Treiben der Parteigänger in Kyritz betrifft, so sagt jener Magistratsbericht vom 3. April (nach den schon vorher angegebenen Worten: »Wir konnten dagegen nichts erinnern«) wörtlich Folgendes darüber:

»Um wenigstens die möglichen Sicherheitsmaßregeln unserseits zu treffen, ließen wir die Thorwache von den Bürgern bei jedem der beiden Hauptthore (dem Wusterhauser oder Berliner, und dem Hamburger Thore) auf 16 Mann verstärken, obgleich auch diese ohne Waffen nicht im Stande waren, einer bewaffneten auch nur geringen Mannschaft Widerstand zu leisten. Es mochte (am 31. März, welcher Tag übrigens der Dinstag nach Ostern, der sogenannte Dritte Feiertag war,) des Abends zwischen 8 und 9 Uhr sein, (Punct 9 Uhr, sagt Baldenius in seinem Bericht,) als einige (Bauer) Wagen mit bewaffneten preußischen Truppen (, nach den meisten und genauesten Nachrichten ein Wachmeister oder Unterofficier und 18 Mann, nach andern 30 Mann,) (von Teez her) am Wusterhauser Thore anlangten. Die Wache hatte sie zwar aufgefordert, so lange am Thor zu halten, bis sie dem Magistrat von ihrer Ankunft Anzeige gemacht (hätte); allein sie hatten geantwortet:

daß dies nicht nöthig sei, und sie selbst Bescheid wüssten, worauf sie mit Gewalt ins Thor eingedrungen waren, und sofort jedes der drei Thore selbst mit zwei Gewaffneten besetzt hatten. Die übrigen Militairs wurden dann (on der Kyritzer Thorwache) zu dem unterschriebenen Director Schrader begleitet. Bei diesem gestellte sich nun ein sogenannter Wachmeister in blauer Husarenuniform, welcher sich den Namen Johann Fischer vom Blücherschen Husarenregiment gab. (Er war aus Havelberg gebürtig.) Er producirte eine Ordre, welche mit einem königlichen (?) Siegel, so durch den Gebrauch schon lädirt, und daher seiner Inschrift nach nicht mehr zu erkennen war, dahin lautete:

daß die commandirten Vorzeiger beauftragt wären, alle königlichen Armaturen und Effecten in Empfang zu nehmen, und daß ihnen solche bei schwerer Strafe nicht vorenthalten werden sollen.

Diese Ordre war von Greifenberg den 16. Februar c. datirt, und mit Oberstlieutenant von Schill unterschrieben." (In der Folge hat sich durch officiell angestellte Untersuchungen freilich erwiesen, daß diese Ordre falsch, Schills Unterschrift nachgemacht, das Siegel weder ein gültiges öffentliches noch sein Wappen war. Schill selbst hat erklärt, daß er die Ordre nicht ausgestellt, daß der Fischer nie unter ihm gedient habe, und daß auch von den requirirten Montirungsstücken und Geldsummen nichts bei ihm eingegangen sei. Dieses alles konnte damals aber der Magistrat, oder vielmehr der in diesem Augenblick statt dessen allein fungirende Director Schrader nicht wissen, ja nicht einmal ahnen.) »In des Wachmeisters Gefolge, der selbst mit einem Husarensäbel bewaffnet war, drangen mehrere Soldaten in verschiedenen preußischen Uniformen in die Stube, und zwar nicht allein mit gezogenen Säbeln, sondern auch mit gespannten Pistolen. Dabei ging der Wachmeister mit solcher überwiegenden Ruhe zu Werke, daß auf einen thätlichen Widerstand zu denken um so weniger rathsam sein konnte, da derselbe die Nähe von einigen tausend schillichen Truppen, welche jede Widersetzlichkeit auf das schrecklichste ahnden würden, verkündigte. Diesem nach verlangte der Wachmeister, daß ihm sofort die königlichen. Montirungsstücke und Waffen ausgeliefert werden sollten. Es wurde ihm zwar von Magistrats wegen bedeutet

daß uns nicht bekannt sei, daß allhier sich noch dergleichen Sachen befänden, weil solche bereits auf Befehl der französischen Administration nach Perleberg abgeliefert worden wären,

der Wachmeister erwiderte (aber):

Nun, wenn Sie denn nichts wissen, so werde ich sie wohl finden, und dazu bei dem Regimentsschneider Metke visitiren.

Bei dieser Gelegenheit machte derselbe auch der Stadt den Vorwurf, daß sie gar nicht preußisch gesinnt wäre, sondern wohl lieber sähe, wenn sie unter französischer Regierung bliebe, daher auch schon 2 Estaffetten abgeschickt wären. (Es konnten diese Freibeuter leicht wissen, daß Montirungen bei Metke waren, da unter ihnen ja, wie schon gesagt, zwei Mann waren, und zwar ein gewisser Dau, aus dem ganz nahen Wusterhausen gebürtig, und Rogge, die früher im Regiment von Beeren gedient, in Kyritz gelebt, und diesen Metke als Regimentsschneider gekannt hatten.)

Nun begab sich der Fischer mit seinem Gefolge zu dem hiesigen Schneidermeister Metke, visitirten daselb st, und entwandten ihm mit Gewalt 190 Collets und eben so viele Chemisets, welche sie auf die von Teez mitgebrachten Wagen packten, und mit sich genommen haben.«

Gegen das Ende des Magistratsberichts heißt es in Ansehung dieses Vorfalls noch:

Da aber der Schneider Metke offenbar gegen die von uns publicirte Verordnung vom 10. Januar d. J., alle preußischen Waffen, Munition und Effecten bei Vermeidung der härtesten Ahndung sofort zu Rathhause allhier an uns abzuliefern, verstoßen hatte, so haben wir ihn sofort zur Untersuchung gezogen, und die anliegende Abschrift des Protokolls vom 1. d. M. ergiebt, wie der Metke sich darüber verantwortet hat.

Wir haben auch nicht versäumt, die nach diesem Protokoll noch vorhandenen Montirungsstücke von dem Metke uns abliefern zu lassen ; die angefügte Specification zeiget, was hierauf von uns zu Rathhause bis zur weitern Verfügung der französischen Administration deponirt worden ( ist ), und haben wir das gedachte Untersuchungsprotokoll mit diesem Verzeichnisse sofort zur weitern Verfügung an den Herrn Commandanten Lefebre in Perleberg übersandt.«

Da für jeden Kyritzer auch die kleinsten und kleinlichsten Umstände, die bei dieser ganzen traurigen Begebenheit statt gefunden haben, interessant und wichtig sind, so sei es vergönnt, diese von jetzt an, wo sich dieselbe dem Vorfall nähert, der den ewig beweinenswerthen Mord zweier braven Männer zur Folge hatte, so ausführlich anzugeben, wie sie sich nach dem Gedächtnisse der jetzt noch lebenden Augenzeugen derselben erhalten haben, um so mehr, da sie dazu dienen, jeden Leser aufs deutlichste zu überzeugen, wie so ganz frei und rein von aller Schuld dabei die beiden unglücklichen Opfer und die ganze Stadt waren.

Der jetzt längst verstorbene Schneidermeister Metke hatte, als die Garnison beim Beginn des Krieges gegen die Franzosen i. J. 1806 Kyritz verließ, von derselben noch Material zur Anfertigung von 900 Uniformen zurückbehalten. Von diesen waren bei der Ankunft der Parteigänger 190 Collets und 190 Chemisets fertig, und als der Wachmeister Fischer mit mehreren seiner Leute bei ihm eintrat, um ihn zur Auslieferung seiner Vorräthe zu zwingen, gab er demselben doch nur diese fertigen Kleidungsstücke, wie lebendig auch mehrere mit ihnen eingetretenen Bekannten Metke's, namentlich der frühere Regimentsquartiermeister des Regiments von Beeren Grobecker und der Kaufmann ( Gensd’arme ) Baldenius ihn aufforderten, alles hinzugeben, was er habe. Aber auch dem Magistrat, wie ernstlich derselbe nach dem vorstehenden Bericht ihm auch befahl, alles auszuliefern, übergab er zwar alles, dessen Besitz er nicht ableugnen konnte, Tuch, Kirfan u.s.w., was denn nach wenigen Tagen vom Rathhause aus wirklich richtig nach Perleberg gesandt, und dem dort stationirten französischen Intendanten der Provinz Gaspard (oder Gaspar, Gaspare) überliefert wurde; indessen alles, was sich mit Sicherheit verbergen ließ, die Tressen, den Sammt u.s.w. zu den 900 Uniformen, verschwieg er in liebe zum Könige und Vaterlande, und versteckte es aufs sorgfältigste, obgleich der General von Beeren, dem er dies nachher anzeigte, damit sehr unzufrieden war, und ihm bemerkte, er setze dadurch nicht nur sich selb st, sondern auch die Stadt vielleicht großer Gefahr aus. Erst nach dem Frieden und der Rückkehr der Preußen überlieferte er aufs redlichste alles dem Major von Glaßenapp zur Rückgabe an das Regiment, der alles genau nachmessen und wiegen ließ, und für vollkommen richtig anerkannte.

Was nun den weitern Verlauf der Begebenheit betrifft, so muß zur Einleitung Folgendes bemerkt werden: etwa vierzehn Tage vorher war ein französischer Commissionär, Winung, aus Straßburg im Elsaß gebürtig, in der Stadt und den umliegenden Dörfern gewesen, um auf französische Rechnung Vieh, Stroh u.s.w. zur Verproviantirung der französischen Armee in Preußen aufzukaufen. Er war auch zum Kaufmann Kersten gekommen, einem jungen, achtungswürdigen Mann von 25 Jahren, der glücklicher Gatte und Vater war, und hatte denselben durch vielerlei Vorstellungen überredet, eine eben nicht bedeutende Strohlieferung zu übernehmen, ihm auch zur Sicherung zwei Louisd’ors Angeld gezahlt. Nun traf es sich unglücklicher Weise, daß ein Genosse dieses Winung, ein Berliner Jude, Namens Hirsch, der mit ihm zu einem und eben demselben franzöfischen Comtoir in Berlin gehörte (beide trugen die französische Cocarde), mit einem eignen Wagen von Berlin etwa Mittags an die sem 31. März in Kyritz eintraf, und sich zu diesem ihm noch ganz unbekannten Kaufmann Kersten hinfahren ließ. Er hatte das Geld bei sich, um die gemachten Bestellungen zu bezahlen, berichtigte deren auch mehrere in der Stadt und auf den Dörfern, und wollte nun den Rest bei dem Herrn Kersten deponiren. Dieser sowohl als seine Gattinn, und ganz eben so auch mehrere Bürger riethen dem Juden aufs Dringendste, dies ja nicht zu thun, eben weil schillsche Truppen, wofür man die Streifzügler noch allgemein hielt, in der Nähe wären, die wohl nach der Stadt kommen würden, und ihm dann leicht das Geld wegnehmen könnten, was selbst für die Stadt nachtheilige Folgen haben dürfte. Einige von denen, mit denen er schon Geschäffte gemacht hatte, (unter andern der Quartiermeister Grabow und der Schmiedemeister Bier) sagten ihm, sie hätten bereits das von ihm erhaltne Geld aus der Stadt gebracht, und (in ihren Garten u. d. gl.) gut vergraben und verborgen. Alle riethen ihm, baten ihn, er möge mit seinem Gelde nach irgend einem nahen Dorfe fahren, und da übernachten. Hirsch aber meinte, und wiederholte es sehr oft, sein Comtoir habe Geld genug, sehr viel Geld; kämen die Preußen, und nähmen das Geld, so möchten sie es immerhin thun; das Comtoir, zu dem er gehöre, könne es leicht entbehren. Dieser starre Eigensinn des Juden, wenn dem Benehmen des selben kein noch weit böserer Namen gebührt, war die einzige Veranlassung des ihm folgenden Unglücks der Stadt und der beiden braven Männer. Hirsch that nichts, als daß er unter Beihülfe eines Bewohners des Kerstenschen Hauses, Belitz, früher Bedienter beim Baron von Eckardstein, und auch noch eines Ackerbürgers Schäfer das mitgebrachte Geld aus dem Sacke, worin es war, heraus nahm, und die Beutel in zwei Theile sonderte, von denen der eine in der Kerstenschen Wohnstube im untern Stockwerk des Hauses unter einen Großvaterstuhl, der andere aber in Belitz's Stube im obern Stockwerk in ein Fässchen gestellt wurde. In Ansehung des Betrags dieses Geldes kann doch wohl nur dem später noch zu erwähnenden Magistratsprotokoll Glauben beigelegt werden, das 1500 Rthlr. ergiebt, da ja eine Abschrift des selben dem Hirsch selbst übergeben, und von diesem als richtig anerkannt worden ist, obgleich die Kerstenschen Hausgenossen sagen, sie hätten gehört, unterm Großvaterstuhl seien 1500 Rthlr., und bei Belitz 1000 Rthlr. gewesen. Da nun die sogenannten preußischen Truppen wirklich der Stadt sich näherten, um neun Uhr am Thor waren, und dann in die Stadt rückten, so war es ganz natürlich, daß fast alle Einwohner der selben ihre Häuser verließen, auf die Straße eilten, und nach dem Wusterhauser Thor ihnen entgegen gingen, indem gewiß alle gute, treue Preußen waren, und die meisten, die gar nicht ahnen konnten, daß und welches Unglück diese Bande veranlassen würde, die herzlichste, lebendigste Freude darüber empfanden, endlich einmal wieder preußische Truppen zu sehen. Diese Freude war so groß, daß viele selbst Widerwillen und Ärger gegen ihre eignen braven Gensd'armen äußerten, als diese, jedoch nur in ihrer bürgerlichen Kleidung, nach ihrer Pflicht Ordnung zu erhalten, und namentlich den vielen Anforderungen der Eingedrungenen sich zu widersetzen suchten. Doch gar bald ward diese Freude gar sehr gedämpft, als man diese Armee von 18 Mann näher in Augenschein nahm, und sah, wie diese Leute so unvollständig, bunt scheckig, jämmerlich, ja lächerlich bekleidet und bewaffnet waren, wie einige verrostete, mangelhafte Gewehre, andere Säbel, andere Pistolen trugen, die in einem Strick steckten, den sie als Gurt um den Leib hatten. Die Besonnenen erkannten nun sehr bald, daß die selben gar nicht zu regulären Truppen, auch nicht einmal zum schillschen Corps gehören konnten, und das sagten namentlich die Gensd'armen den einzelnen der Eingedrungenen, die sie auf den Straßen fanden, ganz offen und unverhohlen. Die Furcht vor ihnen verschwand. So packte der Gensd’arme Schulz, mit einer Wagenrunge bewaffnet, als ein Gastwirth auf der Straße jammerte, ein Schillianer wolle ihm das Haus anzünden, wenn er ihm nicht 50 Louist'ors gebe, diesen Helden, der in der Gaststube fürchterlich bramarbasirte, und auf seinen Säbel sich stützte, mit seinen Armen, trug ihn aus dem Hause, und setzte ihn mitten auf der Straße derbe nieder, so daß der selbe beschämt weiter ging. Eben so verweigerten alle Gensd'armes fest und entschlossen die Auslieferung ihrer Pferde an die Freibeuter, die sich der selben in ihren Häusern bemächtigen wollten. Mehr aber freilich konnten weder sie noch die ganze Bürgerschaft thun, da niemand Zeit zur Besinnung, und die Behörde keine Zeit zu Conferenzen, Beschlüssen, Befehlen und Thaten hatte, weil ja der ganze Coup eine Überraschung war, die in zwei Stunden ihren Zweck erreichte, und den Eingedrungenen mehr gewährte, als sie selbst ursprünglich beabsichtigt und gehofft hatten. Dazu gehört ganz vorzüglich das französische Judengeld. Beim Einzuge der Streifzügler wussten sie noch nichts von Hirsch und seinem Gelde sonst würde ihr Anführer Fischer zum Justizdirector Schrader ganz gewiß eben so gut von dessen Auslieferung oder Wegnahme bei Kersten, wie von den Monturen bei Metke gesprochen haben. Nur um diese sich zu holen, waren sie gekommen. Als sie nun aber in der Stadt, an den Thoren und auf den Straßen waren, als alle Bürger, um sie zu sehen, und in gespannter Erwartung der Dinge, die da kommen sollten, ihre Häuser verließen, wie dies auch Kersten, und nach ihm Belitz ebenfalls gethan hatten, da war es sehr natürlich, daß irgend jemand, der darum wusste, irgend einem von ihnen, und wohl ganz gewiß in vermeintlich ganz guter Absicht, vaterländischen Truppen eine gute Einnahme zu schaffen, und den Franzosen als Feinden des Vaterlandes Schaden zuzufügen, entdeckte, im Hause Kerstens sei französisches Geld. Und zwar ist es wahr scheinlichst der Bediente Belitz gewesen, der dies gethan hat. Er ist schon vor langer Zeit gestorben; ein voller Beweis lässt sich also nicht mehr führen; aber es haben ihn nicht nur Kerstens Angehörige, und mit und nach ihnen bald die ganze Stadt dessen bezüchtigt, ohne daß er sich zu rechtfertigen, die Beschuldigungen zu widerlegen vermochte, sondern, was die Hauptsache ist, einer der beiden Eindringlinge, welche das erste Geld aus Kerstens Hause holten, der Husar Schickerling, (der vorher weder in Beerens Regiment gedient, noch in Kyritz gewohnt hatte,) als er nach etwa anderthalb Jahren von den Franzosen gefangen genommen, aufs Rathhaus gelegt und inquirirt (jedoch, weil kein vollständiger Beweis gegen ihn geführt werden konnte, bald wieder frei gelassen) wurde, hat es zu dem Gerichtsdiener Beit und andern Kyritzern ganz bestimmt ausgesprochen, Belitz sei es gewesen, der ihm und dem oben schon genannten Dau es entdeckt habe, daß im Hause Kerstens französisches Geld sei. Factisch ist indessen nur Folgendes: bald nach dem Einrücken der Preußen kamen Dau und Schickerling in Kerstens Haus. Sie fanden ihn nicht zu Hause, und forderten nun von dessen Gattinn mit Ungestüm das Geld. Sie hatte sich auf den schon erwähnten Großvaterstuhl gesetzt, und sagte, sie wisse von keinem Gelde. Beide hießen sie aufstehen, und fanden nun sogleich das Geld, das sie an sich nahmen und forttrugen. Nach etwa einer halben Stunde kam Dau wieder, und zwar mit dem Wachmeister Fischer. Herr Kersten war noch nicht zu Hause, und Fischer sagte deshalb zur Frau, das Geld, das er empfangen habe, sei noch nicht die ganze Summe des französischen Geldes, das in ihrem Hause sei. Da die selbe ihre Aussage wiederholte, daß sie von keinem Gelde, namentlich nicht von mehrerem Gelde etwas wisse, so antwortete Fischer, er werde es schon suchen und finden, man solle ihm nur Licht geben. Mit diesem gingen Fischer und Dau dann die Treppe zum zweiten Stockwerk hinauf, und in Belitz's Stube hinein, wo sie nun sogleich das übrige Geld im Fässchen fanden, und mit sich fort nahmen. (Ein Beweis, wie genau sie über dies Geld, und die Örter, wo es sich befand, unterrichtet waren.) Nach der Aussage der Frau und der Schwester des Herrn Kersten, die auch bei ihrem Bruder lebte, war, wie Belitz, so auch Hirsch beide male im Hause, als Dau u.s.w. das Geld holte, und also selbst Zeuge der Wegnahme seines Geldes. (Hirsch schlief übrigens auch noch gastlich diese Nacht im Kerstenschen Hause, und reisete erst am nächsten Vormittage, als auch Winung angekommen war, in seinem Wagen mit diesem wieder nach Berlin zurück.)

Aus dieser ganzen Erzählung erhellt gewiß augenscheinlich, und ohne allen Widerspruch, daß und wie ganz un schuldig der arme