Ungeduld

Undatiert, Erstdruck 1827.

Immer wieder in die Weite,
Über Länder an das Meer,
Phantasien, in der Breite
Schwebt am Ufer hin und her!
Neu ist immer die Erfahrung:
Immer ist dem Herzen bang,
Schmerzen sind der Jugend Nahrung,
Tränen seliger Lobgesang.

Lust und Qual

Undatiert, Erstdruck 1820.

Knabe saß ich, Fischerknabe,
Auf dem schwarzen Fels im Meer,
Und, bereitend falsche Gabe,
Sang ich, lauschend ringsumher.
Angel schwebte lockend nieder;
Gleich ein Fischlein streift und schnappt,
Schadenfrohe Schelmenlieder –
Und das Fischlein war ertappt.

Ach! am Ufer, durch die Fluren,
Ins Geklüfte tief zum Hain,
Folgt ich einer Sohle Spuren,
Und die Hirtin war allein.
Blicke sinken, Worte stocken! –
Wie ein Taschenmesser schnappt,
Faßte sie mich in die Locken,
Und das Bübchen war ertappt.

Weiß doch Gott, mit welchem Hirten
Sie aufs neue sich ergeht!
Muß ich in das Meer mich gürten
Wie es sauset, wie es weht.
Wenn mich oft im Netze jammert
Das Gewimmel groß und klein,
Immer möcht ich noch umklammert
Noch von ihren Armen sein!

Immer und Überall

Entstanden 1820. Dieses und die folgenden sechs Gedichte veröffentlichte Goethe 1820 als Zyklus.

Dringe tief zu Berges Grüften,
Wolken folge hoch zu Lüften;
Muse ruft zu Bach und Tale
Tausend, aber tausend Male.

Sobald ein frisches Kelchlein blüht,
Es fordert neue Lieder;
Und wenn die Zeit verrauschend flieht,
Jahrszeiten kommen wieder.

März

Entstanden 1817, Erstdruck 1820.

Es ist ein Schnee gefallen,
Denn es ist noch nicht Zeit,
Daß von den Blümlein allen,
Daß von den Blümlein allen
Wir werden hoch erfreut.

Der Sonnenblick betrüget
Mit mildem, falschem Schein,
Die Schwalbe selber lüget,
Die Schwalbe selber lüget,
Warum? Sie kommt allein!

Sollt ich mich einzeln freuen,
Wenn auch der Frühling nah?
Doch kommen wir zu zweien,
Doch kommen wir zu zweien,
Gleich ist der Sommer da.

April

Undatiert, Erstdruck 1820.

Augen, sagt mir, sagt, was sagt ihr?
Denn ihr sagt was gar zu Schönes,
Gar des lieblichsten Getönes;
Und in gleichem Sinne fragt ihr.

Doch ich glaub euch zu erfassen:
Hinter dieser Augen Klarheit
Ruht ein Herz in Lieb und Wahrheit
Jetzt sich selber überlassen,

Dem es wohl behagen müßte,
Unter so viel stumpfen, blinden
Endlich einen Blick zu finden,
Der es auch zu schätzen wüßte.

Und indem ich diese Chiffern
Mich versenke zu studieren,
Laßt euch ebenfalls verführen,
Meine Blicke zu entziffern!

Mai

Undatiert, Erstdruck 1820.

Leichte Silberwolken schweben
Durch die erst erwärmten Lüfte,
Mild, von Schimmer sanft umgeben,
Blickt die Sonne durch die Düfte.
Leise wallt und drängt die Welle
Sich am reichen Ufer hin;
Und wie reingewaschen helle,
Schwankend hin und her und hin,
Spiegelt sich das junge Grün.

Still ist Luft und Lüftchen stille;
Was bewegt mir das Gezweige?
Schwüle Liebe dieser Fülle,
Von den Bäumen durchs Gesträuche.
Nun der Blick auf einmal helle,
Sieh! der Bübchen Flatterschar,
Das bewegt und regt so schnelle,
Wie der Morgen sie gebar,
Flügelhaft sich Paar und Paar.

Fangen an, das Dach zu flechten –
Wer bedürfte dieser Hütte? –
Und wie Zimmrer, die gerechten,
Bank und Tischchen in der Mitte!
Und so bin ich noch verwundert,
Sonne sinkt, ich fühl es kaum;
Und nun führen aberhundert
Mir das Liebchen in den Raum,
Tag und Abend, welch ein Traum!

Juni

Undatiert, Erstdruck 1820.

Hinter jenem Berge wohnt
Sie, die meine Liebe lohnt.
Sage, Berg, was ist denn das?
Ist mir doch, als wärst du Glas,

Und ich wär nicht weit davon;
Denn sie kommt, ich seh es schon,
Traurig, denn ich bin nicht da,
Lächelnd, ja, sie weiß es ja!

Nun stellt sich dazwischen
Ein kühles Tal mit leichten Büschen,
Bächen, Wiesen und dergleichen,
Mühlen und Rändern, den schönsten Zeichen,

Daß da gleich wird eine Fläche kommen,
Weite Felder unbeklommen.
Und so immer, immer heraus,
Bis mir an Garten und Haus!

Aber wie geschichts?
Freut mich das alles nicht –
Freute mich des Gesichts
Und der zwei Äuglein Glanz,
Freute mich des leichten Gangs,
Und wie ich sie seh
Vom Zopf zur Zeh!

Sie ist fort, ich bin hier,
Ich bin weg, bin bei ihr.

Wandelt sie auf schroffen Hügeln,
Eilet sie das Tal entlang,
Da erklingt es wie mit Flügeln,
Da bewegt sichs wie Gesang.

Und auf diese Jugendfülle,
Dieser Glieder frohe Pracht
Harret einer in der Stille,
Den sie einzig glücklich macht.

Liebe steht ihr gar zu schön,
Schönres hab ich nie gesehn!
Bricht ihr doch ein Blumenflor
Aus dem Herzen leicht hervor.

Denk ich: soll es doch so sein!
Das erquickt mir Mark und Bein;
Wähn ich wohl, wenn sie mich liebt,
Daß es noch was Beßres gibt?

Und noch schöner ist die Braut,
Wenn sie sich mir ganz vertraut,
Wenn sie spricht und mir erzählt,
Was sie freut und was sie quält.

Wie's ihr ist und wie's ihr war,
Kenn ich sie doch ganz und gar.
Wer gewänn an Seel und Leib
Solch ein Kind und solch ein Weib!

Frühling übers Jahr

Entstanden 1816, Erstdruck 1820.

Das Beet, schon lockert
Sichs in die Höh,
Da wanken Glöckchen
So weiß wie Schnee;
Safran entfaltet
Gewaltge Glut,
Smaragden keimt es
Und keimt wie Blut.
Primeln stolzieren
So naseweis,
Schalkhafte Veilchen,
Versteckt mit Fleiß;
Was auch noch alles
Da regt und webt,
Genug, der Frühling,
Er wirkt und lebt.

Doch was im Garten
Am reichsten blüht,
Das ist des Liebchens
Lieblich Gemüt.
Da glühen Blicke
Mir immerfort,
Erregend Liedchen,
Erheiternd Wort;
Ein immer offen,
Ein Blütenherz,
Im Ernste freundlich
Und rein im Scherz.
Wenn Ros und Lilie
Der Sommer bringt,
Er doch vergebens
Mit Liebchen ringt.

Fürs Leben

Entstanden wohl 1802, Erstdruck 1804 unter dem Titel »Die glücklichen Gatten«.

Nach diesem Frühlingsregen,
Den wir so warm erfleht,
Weibchen, o sieh den Segen,
Der unsre Flur durchweht.
Bis in die blaue Trübe
Verliert sich unser Blick;
Hier wandelt noch die Liebe,
Hier hauset noch das Glück.

Das Pärchen weißer Tauben,
Du siehst, es fliegt dorthin,
Wo, um besonnte Lauben,
Gefüllte Veilchen blühn.
Dort banden wir zusammen
Den allerersten Strauß,
Dort schlugen unsre Flammen
Zuerst gewaltig aus.

Doch als uns vom Altare,
Nach dem beliebten Ja,
Mit manchem jungen Paare
Der Pfarrer eilen sah,
Da gingen andre Sonnen
Und andre Monden auf,
Da war die Welt gewonnen
Für unsern Lebenslauf.

Und hunderttausend Siegel
Bekräftigten den Bund,
Im Wäldchen, auf dem Hügel,
Im Busch am Wiesengrund,
In Höhlen, im Gemäuer,
Auf des Geklüftes Höh,
Und Amor trug das Feuer
Selbst in das Rohr am See.

Wir wandelten zufrieden,
Wir glaubten uns zu zwei;
Doch anders wars beschieden,
Und sieh! wir waren drei;
Und vier' und fünf' und sechse,
Sie saßen um den Topf,
Und nun sind die Gewächse
Fast all uns übern Kopf.

Und dort, in schöner Fläche,
Das neugebaute Haus
Umschlingen Pappelbäche,
So freundlich siehts heraus.
Wer schaffte wohl da drüben
Sich diesen frohen Sitz?
Ist es, mit seiner Lieben,
Nicht unser braver Fritz?

Und wo im Felsengrunde
Der eingeklemmte Fluß
Sich schäumend aus dem Schlunde
Auf Räder stürzen muß:
Man spricht von Müllerinnen
Und wie so schön sie sind;
Doch immer wird gewinnen
Dort hinten unser Kind.

Doch wo das Grün so dichte
Um Kirch und Rasen steht,
Da wo die alte Fichte
Allein zum Himmel weht,
Da ruhet unsrer Toten
Frühzeitiges Geschick
Und leitet von dem Boden
Zum Himmel unsern Blick.

Es blitzen Waffenwogen
Den Hügel, schwankend, ab.
Das Heer es kommt gezogen,
Das uns den Frieden gab.
Wer mit der Ehrenbinde
Bewegt sich stolz voraus?
Es gleichet unserm Kinde!
So kommt der Karl nach Haus.

Den liebsten aller Gäste
Bewirtet nun die Braut;
Sie wird am Friedensfeste
Dem Treuen angetraut.
Und zu den Feiertänzen
Drängt jeder sich herbei;
Da schmückest du mit Kränzen
Der jüngsten Kinder drei.

Bei Flöten und Schalmeien
Erneuert sich die Zeit,
Da wir uns einst im Reihen
Als junges Paar gefreut;
Und in des Jahres Laufe,
Die Wonne fühl ich schon!
Begleiten wir zur Taufe
Den Enkel und den Sohn.

Für Ewig

Entstanden 1784, Erstdruck 1820.

Denn was der Mensch in seinen Erdeschranken
Von hohem Glück mit Götternamen nennt:
Die Harmonie der Treue, die kein Wanken,
Der Freundschaft, die nicht Zweifelsorge kennt;
Das Licht, das Weisen nur zu einsamen Gedanken,
Das Dichtern nur in schönen Bildern brennt –
Das hatt ich all, in meinen besten Stunden,
In ihr entdeckt und es für mich gefunden.

Zwischen beiden Welten

Undatiert, Erstdruck 1820.

Einer Einzigen angehören,
Einen Einzigen verehren,
Wie vereint es Herz und Sinn!
Lida! Glück der nächsten Nähe,
William! Stern der schönsten Höhe,
Euch verdank ich, was ich bin.
Tag' und Jahre sind verschwunden,
Und doch ruht auf jenen Stunden
Meines Wertes Vollgewinn.

Aus einem Stammbuch von 1604

Entstanden 1818, Erstdruck 1820.

Hoffnung beschwingt Gedanken, Liebe Hoffnung,
In klarster Nacht hinauf zu Cynthien, Liebe!
Und sprich: wie sie sich oben umgestaltet,
So auf der Erde schwindet, wächst mein Glück.
Und wispere sanft-bescheiden ihr ans Ohr,
Wie Zweifel oft das Haupt hing, Treue tränte.
Und ihr Gedanken, mißzutraun geneigt,
Beschilt euch die Geliebte dessenthalb,
So sagt: ihr wechselt zwar, doch ändert nicht,
Wie sie dieselbe bleibt und immer wechselt.
Untrauen tritt ins Herz, vergiftets nicht,
Denn Lieb ist süßer von Verdacht gewürzt.
Wenn sie verdrießlich dann das Aug umwölkt,
Des Himmels Kläre widerwärtig schwärzt,
Dann Seufzer-Winde scheucht die Wolken weg,
Tränt nieder, sie in Regen aufzulösen.
Gedanke, Hoffnung, Liebe bleibt nur dort,
Bis Cynthia scheint, wie sie mir sonst getan.

Um Mitternacht

Entstanden 1818, Erstdruck 1821.

Um Mitternacht ging ich, nicht eben gerne,
Klein, kleiner Knabe, jenen Kirchhof hin
Zu Vaters Haus, des Pfarrers; Stern am Sterne,
Sie leuchteten doch alle gar zu schön;
   Um Mitternacht.

Wenn ich dann ferner in des Lebens Weite
Zur Liebsten mußte, mußte, weil sie zog,
Gestirn und Nordschein über mir im Streite,
Ich gehend, kommend Seligkeiten sog;
   Um Mitternacht.

Bis dann zuletzt des vollen Mondes Helle
So klar und deutlich mir ins Finstere drang,
Auch der Gedanke willig, sinnig, schnelle
Sich ums Vergangne wie ums Künftige schlang;
   Um Mitternacht.

Sankt Nepomuks Vorabend

Entstanden 1820, Erstdruck 1827.

Karlsbad, den 15. Mai 1820

Lichtlein schwimmen auf dem Strome,
Kinder singen auf der Brücken,
Glocke, Glöckchen fügt vom Dome
Sich der Andacht, dem Entzücken.

Lichtlein schwinden, Sterne schwinden;
Also löste sich die Seele
Unsres Heilgen, nicht verkünden
Durft er anvertraute Fehle.

Lichtlein, schwimmet! Spielt, ihr Kinder!
Kinder-Chor, o! singe, singe!
Und verkündiget nicht minder,
Was den Stern zu Sternen bringe.

Im Vorübergehn

Undatiert, Erstdruck 1827.

Ich ging im Felde
So für mich hin,
Und nichts zu suchen,
Das war mein Sinn.

Da stand ein Blümchen
Sogleich so nah,
Daß ich im Leben
Nichts lieber sah.

Ich wollt es brechen,
Da sagt' es schleunig:
Ich habe Wurzeln,
Die sind gar heimlich.

Im tiefen Boden
Bin ich gegründet;
Drum sind die Blüten
So schön geründet.

Ich kann nicht liebeln,
Ich kann nicht schranzen;
Mußt mich nicht brechen,
Mußt mich verpflanzen.

*

Ich ging im Walde
So vor mich hin;
Ich war so heiter,
Wollt immer weiter –
Das war mein Sinn.

Pfingsten

Entstanden 1814, Erstdruck 1827.

Unter halb verwelkten Maien
Schläft der liebe Freund so still;
O! wie soll es ihn erfreuen,
Was ich ihm vertrauen will:
Ohne Wurzeln dieses Reisig,
Es verdorrt das junge Blut;
Aber Liebe, wie Herr Dreyßig,
Nähret ihre Pflanzen gut.

Aug um Ohr

Entstanden 1817, Erstdruck 1827.

Was dem Auge dar sich stellet,
Sicher glauben wirs zu schaun;
Was dem Ohr sich zugesellet,
Gibt uns nicht ein gleich Vertraun.
Darum deine lieben Worte
Haben oft mir wohlgetan;
Doch ein Blick am rechten Orte,
Übrig läßt er keinen Wahn.

 

Blick um Blick

Entstanden eventuell um 1815, Erstdruck 1827.

Wenn du dich im Spiegel besiehst,
Denke, daß ich diese Augen küßte,
Und mich mit mir selbst entzweien müßte,
Sobalde du mich fliehst:
Denn da ich nur in diesen Augen lebe,
Du mir gibst, was ich gebe,
So war ich ganz verloren;
Jetzt bin ich immer wie neugeboren.

Haus-Park

Entstanden 1797, Erstdruck 1827.

Liebe Mutter, die Gespielen
Sagen mir schon manche Zeit,
Daß ich besser sollte fühlen,
Was Natur im Freien beut.
Bin ich hinter diesen Mauern,
Diesen Hecken, diesem Buchs,
Wollen sie mich nur bedauern
Neben diesem alten Jux.

Solche schroffe grüne Wände
Ließen sie nicht länger stehn;
Kann man doch von einem Ende
Gleich bis an das andre sehn.
Von der Schere fallen Blätter,
Fallen Blüten, welch ein Schmerz!
Asmus, unser lieber Vetter,
Nennt es puren Schneiderscherz.

Stehn die Pappeln doch so prächtig
Um des Nachbars Gartenhaus;
Und bei uns wie niederträchtig
Nehmen sich die Zwiebeln aus!
Wollt ihr nicht den Wunsch erfüllen –
Ich bescheide mich ja wohl!
Heuer nur, um Gottes willen,
Liebe Mutter, keinen Kohl!

Der neue Kopernikus

Entstanden 1814, Erstdruck 1827.

Artges Häuschen hab ich klein,
Und, darin verstecket,
Bin ich vor der Sonne Schein
Gar bequem bedecket.

Denn da gibt es Schalterlein,
Federchen und Lädchen,
Finde mich so wohl allein
Als mit hübschen Mädchen.

Denn, o Wunder! mir zur Lust
Regen sich die Wälder,
Näher kommen meiner Brust
Die entfernten Felder.

Und so tanzen auch vorbei
Die bewachsnen Berge;
Fehlet nur das Lustgeschrei
Aufgeregter Zwerge.

Doch so gänzlich still und stumm
Rennt es mir vorüber,
Meistens grad und oft auch krumm,
Und so ist mirs lieber.

Wenn ichs recht betrachten will
Und es ernst gewahre,
Steht vielleicht das alles still –
Und ich selber fahre.

Gegenseitig

Entstanden vermutl. 1816, Erstdruck 1821unter dem Titel »Im Fernen«.

Wie sitzt mir das Liebchen?
Was freut sie so groß?
Den Fernen, sie wiegt ihn,
Sie hat ihn im Schoß;

Im zierlichen Käfig
Ein Vöglein sie hält,
Sie läßt es heraußer
So, wie's ihr gefällt.

Hats Picken dem Finger,
Den Lippen getan,
Es flieget und flattert,
Und wieder heran.

So eile zur Heimat,
Das ist nun der Brauch;
Und hast du das Mädchen,
So hat sie dich auch.

Freibeuter

Undatiert, Erstdruck 1827.

Mein Haus hat kein Tür,
Mein Tür hat ke Haus;
Und immer mit Schätzel
Hinein und heraus.

Mei Küch hat ke Herd,
Mei Herd hat ke Küch;
Da bratets und siedets
Für sich und für mich.

Mei Bett hat ke G'stell,
Mei G'stell hat ke Bett;
Doch wüßt ich nit enen,
Ders lustiger hett.

Mei Keller is hoch,
Mei Scheuer is tief;
Zuoberst zuunterst –
Da lag ich und schlief.

Und bin ich erwachen,
Da geht es so fort;
Mei Ort hat ke Bleibens,
Mein Bleibens ken Ort.

Wanderlied

Entstanden bis 1821, Erstdruck 1821.

Von dem Berge zu den Hügeln,
Niederab das Tal entlang,
Da erklingt es wie von Flügeln,
Da bewegt sichs wie Gesang;
Und dem unbedingten Triebe
Folget Freude, folget Rat;
Und dein Streben, seis in Liebe,
Und dein Leben sei die Tat.

Denn die Bande sind zerrissen,
Das Vertrauen ist verletzt;
Kann ich sagen, kann ich wissen,
Welchem Zufall ausgesetzt
Ich nun scheiden, ich nun wandern,
Wie die Witwe trauervoll,
Statt dem einen, mit dem andern
Fort und fort mich wenden soll!

Bleibe nicht am Boden heften,
Frisch gewagt und frisch hinaus!
Kopf und Arm mit heitern Kräften,
Überall sind sie zu Haus;
Wo wir uns der Sonne freuen,
Sind wir jede Sorge los;
Daß wir uns in ihr zerstreuen,
Darum ist die Welt so groß.

Doch was heißt in solchen Stunden
Sich im Fernen umzuschaun?
Wer ein heimisch Glück gefunden,
Warum sucht ers dort im Blaun?
Glücklich, wer bei uns geblieben,
In der Treue sich gefällt!
Wo wir trinken, wo wir lieben,
Da ist reiche, freie Welt.