Der König und der Grenadier

Ein König, den ihr alle kennt,
Des sich die Preußen freuten,
Hielt ein gar stattlich’ Regiment
Von schönen, großen Leuten;
Die kannt’ er alle Mann für Mann,
Und Manchen sprach er huldreich an.

Drei Fragen tat er dann: „Mein Sohn,
„Wie lange dienst Du? sage!“ —
„Und wie viel Jahre zählst Du schon?“ —
Dies war die zweite Frage.
Die dritte klang besonders hold:
„Erhältst Du richtig Deinen Sold?“

Und konnte nun der Bursch’ gescheit
Und rasch mit Antwort dienen,
Dann lächelte Zufriedenheit
Ihm aus des Königs Mienen;
Gab er die Antwort bang’ und schlecht,
So war’s dem König gar nicht recht.

Vernehmt jetzt einen Spaß von mir,
Der einst sich zugetragen
Mit einem neuen Grenadier
In Hinsicht der drei Fragen.
Der tat sich wunderschön hervor,
Und hielt den Gipfel hoch empor.

Der schlanksten Linde in dem Wald,
Der schönsten Ros im Garten
An Jugendpracht und an Gestalt
Fast gleich, ließ er erwarten,
Dass Vater Friedrich Wilhelm ihn
Zur Rede huldreich werde ziehn.

Nur dass er war aus fremdem Land,
Und, fand’ er diese Gnade,
Kein einzig’ Wörtchen Deutsch verstand,
Dies und noch eins war Schade!
Es stand im obersten Gefach
Ihm Meister Langohr wenig nach.

Der Hauptmann, drob besorgt, befahl,
Drei Worte ihm zu lehren,
Auf jene Fragen nach der Zahl.
Mir däucht, das ließ sich hören;
Drei Worte präg’ ich Jedem ein,
Mag dumm er wie ein Esel sein.

Der Korporal, trotz aller Scheu,
Muss sich sofort bequemen,
Gleich einem jungen Papagei,
Ihn in die Lehr’ zu nehmen.
Er tut genau, wie er gehört,
Dass man die Vögel sprechen lehrt.

Denkt! dieser löst, so gut er kann,
Dem Vogel erst die Zunge.
Ihr lacht des Mittels; doch gewann
An Achtsamkeit der Junge,
Und die erwählten Worte sprach
Er, wie sie folgten, bald ihm nach.

„Drei Monat“ erstlich, just die Zeit,
Die er im Dienst gestanden.
Dann: „zwanzig Jahre“, zum Bescheid,
Wie lang’ er sei vorhanden.
Auch sagt’ er, was den Sold angeht:
„Ganz richtig, Ihre Majestät.“

Man stellt ihn ein in Reih’ und Glied,
Marsch! geht es zur Parade.
Mein Grenadier, stolz prangend, zieht
Auf sich den Blick der Gnade.
Der König winkt, er tritt hervor,
Die Zunge spitzend und das Ohr.

„Wie lang’ hast Du gedient mein Sohn?“
Der Bursche, der kaum Haare
Am Kinne zeigt, gibt irrig schon
Die Antwort: „Zwanzick Jahre.“
Der König spricht: „Wie geht das zu?
„So sag’ mir denn, wie alt bist Du?“

„Drei Monat schon“, versetzt der Tropf.
Der König spricht mit Lachen:
„Schön bist Du, doch ein Eselskopf,
„Und schwerlich klug zu machen.“
Der Bursche spricht mit Gravität:
„Ganz ricktick, Ihre Majestät!“