Baiern unter der Regierung des Ministers Montgelas

Baiern herhielt durch den Frieden von Pressburg Tirol, Voralberg, Burgau, Eichstädt, Passau, Tetnang, Lindau, meistens Besitzungen, welche unter der Öesterreichischen Regierung mit ausnehmender Schonung behandelt wurden, und welche theils Unterstützung an Geld, theils andere sehr wichtige Handels-Vortheile von dieser Regierung genossen. Mit Leib und Seele Oesterreich zugethan, war ihnen die Losreissung von diesem Staat eine Nachricht des Schreckens und der Verzweiflung, und wurde es noch mehr durch die Behandlung, die ihnen von der neuen Regierung zu Theil ward. Indem man ihnen bei der Uebernahme die fernere Belassung ihrer Verfassung feierlich zusagte, behandelte man sie mit gleicher Härte, mit gleichem Druck, wie die übrigen Baierischen Provinzen, und spottete ihrer, wenn sie sich auf die theuer zugesicherten Vorrechte und Privilegien berufen wollten.

Würzburg, eine der schönsten Provinzen, wurde Baiern zum Dank für seine geleisteten Dienste entrissen, und seine Einwohner jubelten laut über das Glück, von einem despotischen Minister, und von seinem würdigen Günstling, dem Generral-Landes-Kommissär Grafen von Türkheim, befreit zu werden, dessen Andenken in Würzburgs Annalen mit schwarzen Farben tief eingegraben ist.

Eine der ersten Handlungen der neu erworbenen sogenannten Souverainität war nun die Aufhebung aller Landschaften und Landstände in Baiern, und mit ihr die Vernichtung des noch durch die bestehenden Credits. Die Land-Stände hatten bis daher auf ihr eigenes Vermögen, und auf die von ihnen verwalteten Einnahmen die nöthigen Gelder für den Staat aufgeborgt, und ihr Credit war so fest gegründet, daß ihre Obligationen stets in vollem Zinse oder Provisionen bezahlen durften durften. Mit ihrer Aufhebung mußte der Staat nicht nur die von ihnen aufgenommenen Kapitalien übernehmen, sonder es mußte nun selbst bei jedem neuen Geld-Bedürfniß für die Aufnahme sorgen. Mit der Aufhebung der Landschaften fiel sogleich der Werth ihrer Obligationen, weil sie nun von dem Staat bezahlt werden sollten, von dessen schlechten Finanz-Operationen man bereits überzeugt war, und die üblen Folgen dieser unklugen und übereilten Aufhebung werden noch im Verfolg dieser Schrift sich näher darstellen.

Hatte man zuvor schon die Besitzungen der Stände auf alle nur mögliche Weise in ihren Vorrechten gekränkt, so geschahe es jetzt nur um desto mehr da die Souverainität, nach der Auslegung des Ministers, keine andere Rechte als die der Gewalt neben sich dulden konnte. Die Hälfte ihrer bisherigen Einkünfte beraubt, verlohren sie alle ihre Vorrechte, wurden den Königl. Aemtern untergeordnet, die ihnen um sich bei der Regierung zu empfehlen, mit einer empörenden Härte begegneten, und mussten Abgaben entrichten, die mit ihren jetzigen Einkünften in keinem Verhältniß standen, und sie beinahe aufzehrten. Um sie gänzlich zu ruinieren hob man endlich alle Familien-Verträge und Fidei-Commisse auf, und brachte dadurch den größten Theil der Güter-Besitzer, welche starke Schulden auf ihren Gütern liegen hatten, und deren Credit durch diese höchst ungerechte Verordnung der Regierung vernichtet war, auf die Gant. Die schönsten Besitzungen wurden nun um die Hälfte des Werthes verkauft – die Gläuber verlohren an ihren Forderungen – die ehemaligen Besitzer waren an den Bettelstab gebracht – und der Herr Minister mit seinen nun reich gewordenen Günstlingen kauften diese Güter zu wohlfeilen Preisen, und lüstern nach den ehemaligen Vorrechten dieser Besitzungen, haben sie es endlich dahin gebracht, daß durch erst kürzlich erlassene Verordnungen diese Besitzungen noch größere Vorrechte als ehemals erhielten. So ist, wie in Frankreich, der alte Adel größtentheils verarmt und aus seinem Eigenthum vertrieben, und die neuen Ankömmlinge, stolz auf ihr Geld, und noch mehr auf ihre neuen Adelsdiplome, und auf ihre durch ihre Handlungen mit der Verachtung jedes rechtlich Mannes gestempelten Verdienst-Orden, bedrucken die Unterthanen, und sind die würrdigen Handlanger ihrer Meisters.

Das nähmliche Schicksal haben die Reichs-Ritterschaftlichen Gutsbesitzer, und die Fürsten, deren Besitzungen unter Baierische Souverainität fielen; auch sie erlitten die nehmlichen Bedrückungen und wenn sie ihren elenden Zustand bis daher noch fortschleppen konnten, wenn sie jetzt durch die neuesten Verordnungen einige Erleichterung erhielten, so haben sie diese bloß dem nun begüterten Minister und seinem Anhängern zu verdanken, welche ihnen jetzt die Ehre anthun, sich mit ihnen in eine Reihe zu stellen.

Wie wahr sind daher nicht auch die Worte Burke´s, wenn er sagt: „Dieses ganze Zetergeschrei über den Adel ist der Kunstgriff einer Parthei, und weiter nichts. Die Hartnäckigkeit, mit welcher jeder das, was er einmal das Seinige genannt, und worinnen er seine Glückseligkeit gefunden hat, zu erhalten sucht, und vertheidigt, ist eine von den großen Schußwehren gegen Ungerechtigkeit und Tytannei, die die Natur in unsere Brust pflanzte. Sie hat die Wirkung eines Instinkts, der das Eigenthum bewahrt, und menschlichem  Verbindungen eine dauerhafte Gestalt sichert. Wo liegt hier das Empörende? Der Adel ist ein köstlicher Schmuck der bürgerlichen Gesellschaft. Er ist das lorinthische Capital wolhgeordneter und gebildeter Staaten. – Omnes boni nobilitati semper lavemus, war der Ausspruch eines redlichen und weisen Mannes.

Wo sind nun die glänzenden Vortheile welche man dem Volk versprach? ist es glücklicher bei der Hinwegräumung der alten Formen und Gebräuche? Ist der neue Adel gestützt auf die Verdienste des Raubs und der Betrügereien mit seinen humanen Gesinnungen, dem Volke mehr werth, als jene Geschlechter, die durch Jahrhunderte das Vertrauen und die Liebe ihrer Mitbürger genossen? Nie wird das Andenken an jene glücklichen Zeiten unserer Vorältern verlöschen. Neben der Abhängigkeit, war auch überall der Schirm oder die Clientel. Die Menschen in ihren socialen und politischen Verhältnissen kennen dreierlei Wechsel: Unabhängigkeit und Gleichheit, die nicht lange dauert; unbedingte Unterwerfung, die niemand mag; und jene Clientel, ein Gemisch von Herrschaft, Freiheit, Affection und Treue, die sich für unsere Gattung, und besonders auch für unser Volk nach den Resultaten der Erfahrung am besten schickt. Das Wort ist römisch, aber bei uns war sie thätiger stärker, wirksamer.

Generous barbarians – sind David Humme´s Ausdrücke, die er fürwahr mit Recht gebraucht. Wenn wir mitten unter ihren Ungestüm und ihren Ausschweifungen die Tendenz zur Unabhängigkeit, zum Gericht durch Gleiche, zur Beschützung der Sprachen und Bedrängten zur Ehrerbietung gegen die Frauen, zur Kühnheit und Großmuth, zur Gastfreundschaft und Redlichkeit, und Haltung des Wortes, zu allen den liebenswürdigen Eigenschaften der Ritterschaft des Mittelalters wahrnehmen, so bemeistert sich unserer Seele, auch unwillkührlich, Ehrfurcht und Verwunderung, die weder des Cervantes Witz, noch unser systematischer Unsinn, noch die täuschenden Vorspiegelungen der Mächtigen auszurotten vermögen. Der Fürst war Patron der Städte gegen den hohen. Der hohe Adel nahm sich aller unter seinem Schirm Begriffenen gegen den Monarchen an, und begünstigte die eigenen gegen die Untervasallen. Der Amtsadel – die Missi und Comites – war gegen den Eigenthumsadel gerichtet. Im Hintergrund stand der Mann mit der Bischofsmütze, der alles in Schutz nahm, was sich ihm in die Arme warf, - und bald wieder in den Fall kam, selbst Schutz zu suchen. Es waren mannigfaltige Wege zur Unterdrückung, und eben so viele ihr zu entgehen. Auch den untersten Klassen standen sie offen; bald das Mönchthum, bald städtische Mauern und Pfahlbürgerschaft, bald die Bezeichnung mit dem rothen Kreutze, und die Fahrt zur Heiligen Stätte. In der ganzen Maschine war Aktion. Allerdings die Aktion des Widerstandes, aber das ist eben die Aktion der Freiheit, und der Weg sie zu erreichen.

Unsere Staatsverwaltungen haben jetzt unförmliche Massen zu regieren, die sie weder als solche, noch in ihren Theilen und Individuen kennen. Sie erreichen sie nur, und sehr unvollstädnig, durch Spion und Polizei. Die Proportionen behalten wir nicht im Auge, von einer Censur wissen wir nichts. Die Statistik, womit wir uns brüsten, enthält wenig mehr als todte Zahlen. Unsere Weisheit dünkt uns groß, weil ihr Niemand widerspricht. Im Gedräng kehren wir zur absurden Idee der Gleichheit zurück. Und reißen ein, ohne wieder aufzubauen. – Daher so viel Abneigung und genährte Eifersucht, daher so viele politische Fehlgriffe, ja daher so viel unmännlicher und feiler Sinn![1]

Das neue Königreich Baiern mußte nun auch eine Reichskonstitution haben. Was natürlicher, als sie nach dem Sinn und nach dem Willen des großen Protektors zu kopieren. In vielen Titeln und Paragraphen wird darin von der Souverainität, von der Erbfolge, von dem Familien-Rath, von den Ministerien, von den Kronämtern, von der Reichsversammlung, kurz von allen dem Nachäffungen des Eckel erregenden neuen Despoten-Katechismus gesprochen, der dem deutschen Volke, das seine ehemalige Verfasung nie vergessen kann, und selbe stets im Herzen zurückwünschen wird, ein Dorn im Auge ist, weil es darin nur ein theures Wortgepräge, nur desto schwerere Sklavenketten sieht. Nach dieser Konstitution sollen sich alle Jahre in jedem Kreise eine bestimmte Anzahl der am stärksten begüterten Einwohner, unter dem Vorsitz eines Königl. Kommissärs versammeln, und sowohl in Hinsicht der Abgaben, als in Hinsicht ihrer Beschwerden und Vorschläge gehört werden. Aus dieser Kreisversammlung soll dann wieder eine Zahl von Deputierten gewählt werden, welche sich zu der Reichsversammlung nach der Hauptstadt begeben, und in dieser Versammlung, in welcher ein Königl. Minister den Vorsitz hat, soll nun des Reiches Wohl und Wehe zur Sprache kommen. Allein eine merkwürdige Vorschrift dieser Reichsversammlung ist neben der auf wenige Tage und Stunden berechneten Dauer derselben, daß kein Mitglied sprechen darf, ausser es wird ihm ausdrücklich die Erlaubnis dazu ertheilt! Ungeachtet dieser mehr als despotischen Vorschrift, hat es doch der allgewaltige Minister noch nicht gewagt, seit der Gründung des Königsreichs weder eine Kreisversammlung, noch einen stumme Reichsversammlung zusammen zu berufen, überzeugt, daß seine Bedrückungen auch selbst die wirklich Taubstummen, ohne des Unterrichts eines Abbé Sickard, zum verständlichen Ausdruckihrer Leiden bringen müssten.

Diese Konstitution bestimmt ein Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten – des Innern – der Finanzen, der Justitz, und des Kriegswesens.[2] Davon hat der minister von Montgelas die drei ersten in seiner Person vereinigt, und bezieht auch, wie billig, die dreifache Besoldung, und selbst das vierte Ministerium der Justiz ist ihm nur durch eine vorschnelle Zufasge des Königs entwischt, welche er verschiedener Verhältnisse wegen nicht zernichten konnte, ohne sich selbst zu schaden.

In dem Geheimen Staats-Rath, wo unter dem Vorsitz des Königs, und unter der Direktion des ersten Ministers die wichtigsten Geschäfte verhandelt werden, sind also die drei Stimmen der Ministerien der auswärtigen Angelegenheiten, des Innern und der Finanzen in einer Person vereinigt, Eine Ausnahme von der Reichs-Konstituion, die hier freilich sehr wenig schadet, da man in dem geheimen Rath nur das vortragen läßt, was der despotische Minister für gut findet, und da ja ohnedem das ganze Reich seinen Winken zu folgen, gewöhnt ist.

Die Reichs-Kronbeamten sind: der Kron-Oberst Hofmeister Fürst von Oetting Wallerstein – der Kron-Oberst Kämmerer Fürst Fugger von Baldenhausen – der Kron-Oberst Postmeister Fürst von Turn und Taxis – der Kron- und Reichs-Kanzler. Diese letzte Stelle ist zur Zeit noch frei, aber schon lange ganz öffentlich für den Herrn Minister von Montgelas bestimmt, der indessen zum Grafen erhoben, auch die Fürstenwürde, nebst einem Fürstenthum zur Belohnung seiner Verdienste erhalten will, und sich nur noch nicht in der Wahl desselben bestimmen kann. Die Reichs-Kronbeamten dürfen auch dem geheimen Staats-Rath beisitzen, allein sie haben das Vorrecht der Reichs-Versammlung – eine stumme Rolle zu spielen.

Unter dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten bilden sich die Sektionen der auswärtigen Verhandlungen – der Hoheits- und Lehen-,, der Post-, und der Herolden-Amts-Angelegenheiten. Unter dem Ministerium des Innern die Sektionen der Polizei-, der Kirchlichen- , der Stiftungs- und Kommunal-, der Schul- und Medizinal-Angelegenheiten. Unter dem Ministerium der Finanzen bilden sich die Domänen-Sektionen, und zu dieser gehören die General-Maut-, Straßen- und Wasserbau-Direktionen; die General-Forst-. Salz- und Münz-Administrationen; ferner gehören zu diesem Ministerium die Sektionen des Berg- und Hüttenwesens-, die Schulden-Tilgungs-, die Steuer-Regulierungs-, die Ungelds- und Ausschlags-Kommission, der Rechnungshof. Jede dieser Sektionen, Direktionen, Administrationen, Kommissionen, und wie sie alle heißen, formirt ein eigenes Kollegium mit einem Vorstand, mehreren Räthen, und einem zahlreichen Unterpersonale; jede hat in München ihr eigenes Geschäfts-Gebäude, jede erlässt Befehle an die äußern Stellen, und erhält Berichte von denselben. Nur die wichtigen Gegenstände werden dem Minister zur Unterschrift vorgelegt, alles übrige wird von den Sektionen besorft.

Man denke sich also die Menge von Sektions-Königen, mit deren Befehlen die äußeren Stellen so überschwemmt werden, daß sie oft nicht wissen, welchen sie zuerst beantworten sollen. Dabei die wenige Uebereinstimmung der Sektionen mit einander, so daß oft ein Befehl dieser Serktion ganz im Widerspruch mit dem Befehl der andern Sektion ist. Die General-Kreis-Kommissare, welche eigentlich das einzige Organ der Regierung in den äußern Kreisen seyn sollten, haben bloß die Polizei-Gegenstände, die Militär-Aushebung, die Kirchen-, Schul-, Medizinal-, Stiftungs- und Kommunal-Sachen zu besorgen. Die Finanz-Gegenstände werden ganz allein von der in jedem Kreise bestehenden Finanz-Direktion besorft. Dagegen gehören die Mauth-, Ausschlags-, Salz- Post-, die Straßen- und Forst-Beamte zu keiner dieser beiden Stellen, sondern diese haben in jedem Kreise ihre Ober-Mauth-, Ober-Post-, Straßen- und Salz-Direktion, Ausschlags- und Forst-Inspektion, welche unmittelbar zur einschlägigen Sektions-Behörde in München gehören, und von dieser ihre Weisungen erhalten. Diese Auseinandersetzung aller Zweige; diese Menge von Ober- Mittel- Neben- und Untr-Behörden, diese wenige Uebereinstimmung, nd das Nichtineinandergreifen aller dieser Stellen, verursacht so viele unmöthige Schreibereien, so viele Unordnungen, so vieln Verzögerungen und so vile schädliche Reibungen und den Behörden selbst, das es beinahe unmöglich ist, ein deutliches Bild dieses Babilonischen Thurmbaus zu entwerfen.

Und wie ist es möglich, daß ein Mann die Leitung, die Uebersicht einer so verwickelten Maschinerie führen kann? Auch mit der größten Thätigkeit, mit einem eisernen Fleiß, und einer alles umfassenden Einsicht wären hier Unordnung und Stockungen nicht zu vermeiden. Um wie viel mehr muß dieß aber bei einem Minister der Fall seyn, der mehr seinem Vergnügen und dem Eigennutz, als den Geschäften lebt, und der sich nicht einmal die Mühe nimmt, nur seinen Nahmen unter die Arbeiten seiner Geschäftsleute zu setzen. Ungeheure Stöße von Akten in den wichtigsten Angelegenheiten gehen von allen diesen Sektionen an den Minister, um seine Entscheidung zu erhalten, aber wenige nur kommen zurück, und alle übrigen ruhen bei ihm in Staub und Vergessenheit. Auch diese wenige würden mit den übrigen ein gleiches Schicksal theilen, wäre nicht öfters sein oder seiner Günstlinge Interesse mit im Spiel. Die General-Sekretärs, von welchem bei jedem Ministerium einer sit, und welche ehemals als geheime Sekretärs blos die Ministerial-Protokolle führten, und die Ausfertigungen besorgten, sind jetzt die rechte Hand des Ministers, und spielen eine wichtigere Rolle als alle Kronbeamte, geheime Staats-Räthe, Sektionen, Vorstände etc. denn nur ihrer Protektion und Fürsprache bei dem Herrn Minister, zu dem sie allein freien Zutritt haben, ist es möglich die Beschleunigung von Geschäften zu erwirken. Allein selbst unter diesen General-Sekretärss giebt es wieder eine Abstufung von mehr oder minder Begünstigten, und wer würde wohl in Baiern den Einfluß der beiden General-Sekretärs von Kobel verkennen, die des besondern Vetrrauens eines Ministers von Montgelas gewürdiget werden? Man denke sich die Menge dieser Obersten Behörden in München, wovon jeder wieder in allen Kreisen ihre Mittel-Behörden, und eine unzählige Menge von Unter-Behörden hat. Man denke sich, daß so wie von dem Minister alles nach Partheilichkeit, Eigennutz, und zum Planmäßigen Ruin des Landes geleitet wird, auch seine Günstlinge, welche die ersten Stellen nach ihm begleiten, ganz nach ihrem würdigen Vorbild, jeder in seinem Zweige handelt, so kann man sich auch leicht vorstellen, zu welchem Grade des Elends und der Verzweifelung die Unterthanen eines solchen Staates gezwungen sind.

Das ehemalige Baiern war unter den vorigen Regierungen, selbst noch im Anfang des Kriegs mit Frankreich mit Abgaben nicht überlastet. Ein sicherer Beweis davon war der Preis der Güter, der nie so hoch gestanden hatte, als im Anfang der jetzigen Regierung. Ein mittelmäßiges Hof-Gut wurde damals mit Zwölf bis SEchszehn Tausend Gulden gekauft, während daß man das nehmliche Gut jetzt um Vier Tausend, und vielleicht noch wohlfeiler kaufen kann. Das nehmliche Verhältnis ist auch für die an Baiern gekommene Provinzen anzunehmen. Man hatte damals bei dr Finanz-Verwaltung den Grundsatz: daß nur ein wohlhabender Unterthan dem Staat in Zeiten der Noth die nöthige Aushülfe leisten könnte, und diesem Grundsatz zu Folge, unterstützte man den Unterthan, so viel es nur immer möglich war, und berechnete die von ihm zu leistenden Abgaben nach seinen kräften. Man bewilligte ihm Nachlässe, man vertheilte seine Ausstände in billige Fristen, man gab ihm Getraid zur Aussaat und zur Speise, kurz man ließ in Zeit sich wieder zu erholen, wenn ein Unfall ihn betroffen hatte. Der Bischoff, das Domkapitel, der Prälat, der Magistrat einer Reichsstadt, der Ritterschaftliche und Landesständische Güterbestizer, alle befolten diesen einfachen, aber einzig wahren Finanz-Grundsatz, und befanden sich nebst ihren Unterthanen sehr von dabei. Jetzt sind alle diese ehemals so verschiedenartige Unterthanen unter dem Zepter eines Souverainen Königs vereinigt, und der vorige Wohlstand verschwunden, weil diese Regierung den Finanz-Grundsatz angenommen hat, aus den Unterthanen so viel herauszupressen, als nur immer müglich ist, ohne zu berücksichtigen, daß der Unterthan dann in der Folge gar nichts mehr leisten kann, und daß er mit dem Staat selbst zu Grunde gehen wird.

Der König von Baiern muß eine Armee von Vierzig bis Funfzig Tausend Mann zum Dienst seines Protektors bereit halten. Da aber die Länder dieses Königs, wie sie ´etzt sind, vielleicht ehemals kaum die Hälfte dieser Truppen unterhielten, da man nicht alle Jahre neue Aushebungen, neue Ausrüstungen, neue Armeen haben mußte, so ist ganz natürlich diese so ungeheuere Ausgabe eine außerordentliche Last für die Unterthanen. Die Baierische Armee bedarf mehr als die Hälfte aller jährlichen Staats-Einnahmen, die wir für Baiern beiläufig auf Zwanzig Millionen annehmen wollen, und diese ganz einfache, aber eben so wahre Angabe, bewährt schön hinlänglich, daß Baiern, so wie die sämmtlichen Staaten des Rheinbundes blos durch diesen überspannten Militär-Etat von ihren Protektor aufgezehrt werden. Dabei kömmt noch nicht in Berechnung, daß beinahe alle Jahre noch eine größere Anzahl von Truppen und die Aushebung einer Land-Miliz verlangt wird, die in Hinsicht ihrer beträchtlichen Stärke eine neue große Ausgabe verursacht. Ob die militärische Oeconomie besser ist, wie die der übrigen Zweige, könnte wohl schon daraus entnommen werden, daß der diese Oekonomie dirigierende Ober-Kriegs-Kommissar und geheime Staats-Rath von Krauß, ehemals Fourrier bei einem Regiment im Ingolstadt, nun Schwiegersohn des Ministers Kriegs-Sekretärs von Triva binnen wenig Jahren seiner thätigen Amtsführung einige Hundert Tausend Gulden für sich zur Seite gelegt hat, und während der immerwährenden Kriege mit gutem erfolg dieses Geschäft fortsetzt. Daß sein übriges Personale diesem Beispiel folgen wird, läßt sich wohl vermuthen. Doch dem sey wie ihm wolle, gewiß bleibt es einmal, das die Militär-Ausgaben mehr als die Hälfte der Staats-Einnahmen aufzehren. Und nun soll die übrige Hälfte dieser Einnahmen für die folgenden Ausgaben hinreichend seyn:

  • a.) Die bestimmten Summen für den König – die Königin – den Kronprinzen und seine Gemahlin – den Herzog Karl – die sechs Prinzessinen – für die Wittw des Kurfürsten Karl Theodor – die Wittwe des Herzogs Karl August von Zweybrücken – den Herzog Wilhelm von Baiern, und seinen Sohn den Herzog Pius. –
  • b.) Alle Ausgaben der Hofhaltung, die sehr zahlreich und glänzend ist.
  • c.) Die Gesandtschaften.
  • d.) Das Justiz-Ministerium mit seinem zahlreichen und gut bezahlten Personale.
  • e.) Der Minister von Montgelas, der für seine Person allein schon jährlich von dem Staat und von den eigenen Geldern des Königs wenigstens die Summe von Einmal Hundert und Funfzig Tausend Gulden bezieht.
  • f.) Seine Armee von Angestellten aller Art, nebst den ungeheuern Regie-Kosten für alle diese Behörden und Aemter.
  • g.) Das Heer der Pensionisten geistlichen und weltlichen Standes.

Schon zu diesen hier bemerkten Ausgaben ist die Hälfte der Staats-Einnahmen nicht hinreichend und ein beträchliches Deficit muß durch die Aufnahme von neuen Kapitalien oder durch erhöhte Abgaben auf  den ohnedem schon erarmten Unterthan gedeckt werden.

Allein wir haben ja noch mehrere Gegenstände, als die prächtigen Römischen Straßen, die bei dem Stillstehen alles Handels bloß zur Bequemlichkeit der mit Vorspann reisenden Französischen und Italienischen Armeen dienen können; - der nach dem Muster des größten Kriegs-Seehafen angefangene und fortgesetztej Hafen-Bau von Linda, dessen Modell in dem Kunst-Kabinett zu München sehr schön und belehrend seyn würde, dessen Ausführung aber ohne allen zweck, und ohne allen Nutzen, ja selbst lächerlich ist; - die Abbrechung aller guten, dauerhaften Brücken, um sie ganz von Holz nur mit einem Bogen herzustellen, damit bei dem nächsten Kriege, das ganze theure Kunstwerk abgebrannt wird, während man ehemals nur ein Joch abzubrechen nöthig hatte und dieses leichter und mit wenigen Kosten wieder herstellen konnte; - die Anlegung eines Botanischen Gartens auf der Münchener Heide, während man in den schönen Bischöffischen und Kloster-Gärten die ausländischen Bäume als Brennholz die Gewächse in den hölzernen Kübeln bloß für den Werth des eisernen Beschlags verkaufte, und der unwissende und rohe Kommissär das Wort Botanik vermuthlich gar nicht kannte; - der Bau und die Einrichtung einer Sternwarte in München, während man die prächtigsten Sternwarten in den Klöstern zerstörte; die geschicktesten Astronomen und Physiker mit vier oder fünfhundert Gulden pensionierte, um einen  Hof-Astronomen, Siefried, aus dem Ausland zu verschreiben, der dem Französischen Kaiser auf seinen Feldzügen begleitet, und der, als ein würdiges Mitglied der Ehrenlegion, wohl nicht die Sterne am Himmel, aber desto fleißiger seine Umgebung auf der Erde ausspionirt, und seine Berechnungen darüber nach Frankreich sendet; .- die Akademie der Wisenschaften in München, welche in Hinsicht der Anzahl ihrer Mitglieder, der wirklich verdienten, und in ganz Deutschland geehrten Männer, und der reichlichen Gehälter, einen Kaiser-Reiche keine Schande machen würde, die man nun außer aller Thätigkeit erhält, weil man nur glänzen, nicht nützen will. Aber selbst um mit fremden Federn zu glänzen, hätte der Herr Minister die, Baiern entehrende, Geschichte eines Aretin nicht in der Stille unterstützen – den alten verdienten Präsidenten Jacobi nicht in die Ruhe setzen – nicht den Geheimen Legations-Rath Ringl zum Hof-Kommissar und Vorsteher der Akaemie ernennen sollen, den Mann, welchen ganz Baiern die rechte Hand des Herrn Ministers kennt, der als sein Aufseher bei den König die Vorschrift hat: nichts unterschreiben zu lassen, was nicht durch ihn vorgelegt wird, und der als derfeinste, abgeschliffenste Tartüffe seine Vorschrift genau befolgt. Sein Nahme mag wohl im Reiche der Wissenschaften und der Künste vielleicht in dieser Schrift zum erstenmal eben nicht sehr ehrenvoll erscheinen, dafür entschädigen ihn aber die Ehrenlegions- und Verdinestordens-Kreuze, und der Minister darf sich in den Stunden, welche so häufig seinem Vergnügen geweiht sind, auf ihn ganz verlassen, daß er mit Argus Augen den Souverainen Gefangenen bewacht; - die prächtigen Bauten von zwei Schauspielhäusern in München während das ganze Land zum Theater des Elends und der Armuth umgeschaffen ist, - das neugebaute König. Krankenhaus in München, das zur Zeit noch leer steht, weil das Kapital zur Einrichtung und zum Unterhalt der Kranken fehlt, nachdem man die besten Institute zu diesem Zweck aufgehoben, und die davon bezogenen Gelder auf andere Sachen verwendet hat. – Doch ein Buch würde nicht hinreichen, alle diese Neben-Ausgaben zu verzeichnen, die nebst den Wander-Kosten der Staatsdiener, nebst den Kosten und Lieferungen für die das ganze Jahr hin und herziehenden Französischen und Italienischen Legionen, schon eine eigene Hälfte der Einnahmen, und vielleicht noch mehr brauchen würden. Um die bunte Reihe dieser Ausgaben aber würdig zu schließen, kommen noch viele Hundert Millionen Schulden, wo bloß zur Bezahlung der jährlichen Interessen einige Millionen nöthig sind. Dieses Schulden des Königreichs Baiern bestehen aus dem ehemaligen Schulden des Herzogs Karl von Zweibrücken und des Prinzen Maximilian, nunmehrigen Königs; aus dem Schulder oder Bezahlungen, welche der König für seinen Schwager den Prinzen von Darmstadt übernommen hat; aus den Schulden der Baierischen, Neuburgischen, Tiroler, Voralberger, Kempter Landschaften; aus den Schulden der an Baiern gefallenen Fürstenthümer, Bisthümer, Domkapitel, Stifter, Klöster, Reichsstädte, und Ritterschafts-Kanton; endlich aus den Schulden, welche der Minister von Montgelas während seiner Regierung zum Besten des Landes aufgenommen hat.

Diese ganz eigene Finanz-Operation verdient eine nähere Beleuchtung. Mit der neuen Regierung kam auch ein Jude aus Manheim, dem man schon vorher große Summen schuldig war, nach München. Bei den humanen Gesinnungen der Regierung war es sehr natürlich, daß auch ein Jude sich in der Residenz ankaufen durfte, und dieß um so eher, als er eines der schönsten Palais, welches ehemals zur Wohnung des Gesandten des Deutschen Kaisers bistimmt war, sich auswählte, und ein gutes Haus zu machen versprach. Ein so taugliches Subject mußte man zu gewinnen und zu erhalten suchen, und dieß konnte sehr füglich durch die Ernennung zum Hofbanquier geschehen. Der neue Hofbanquier von Seligmann wußte auch die Gnade zu erkennenn, er gab dafür köstliche Tafeln, spielte täglich mit den Herrn Minister eine theure Parthie l`Ombre, und schloß ein Anlehen nach den andern mit demselben für das Land, unter den drückensten Bedingnissen und unter der höchsten Zinßen und Provisionen, ab. Man mußte ihn dafür die besten Einnahmen verpfänden, für deren Sicherheit er am besten dadurch sorgte, daß er den Herrn Minister mit in das Interesse zog und den ungeheuren Gewinn mit ihm theilte. Herr Seligmann bezieht durch diesen Handlungs-Freund sein Geld auf die Stunde, und ist daher jedem Augenblick zu neuen Anlehen bereit, die auch bei dem zunehmenden Deficit und bei den fortgesetzten Befehlen des Protektors zur Stellung und Vermehrung der Armeen, immer willkommen sind.

Werden nun diese Zahlungen an Seligmann von den Einnahmen geleitet, die ohnedem zu den gewöhnlichen Ausgaben nicht hinreichen, so versteht es sich von selbst, daß das Deficit dort wieder größer wird, und die Lasten der Unterthanen daher vermehrt werden müssen. Eine zweite Seligmann-Montgelaische Operation war die Tratten-Geschichte. Die Staats-Kasse fertigte, aus Mangel an Geld, Tratten aus, die nach sechs, zwölf oder achtzehn Monathen  wieder als baar Geld eingelöst werden sollten. Man bezahlte damit die Besoldungen, die Lieferungesgegenstände etc. Die Bediensteten brauchten Geld, und das Papier war ihnen lästig. Um dieser Verlegenheit auszuhelfen, erbot sich Herr Seligmann, ihnen die Tratten auszulösen, versteht sich mit zwanzig und dreysig Prozent Abzug, und so war auch hierin die Theilung sehr ergiebig für den Herrn Minister, besonders da man selbst bei der Verfallzeit der Tratten, mit der Bezahlung Anstände machte, und dadurch jeder Besitzer dem Herrn Seligmann zueilte, um nicht gar alles zu verlieren. Eine dritte Spekulation ging mit den übrigen Juden vor, die in München sich zu Hunderten aufhalten. Auch diese machten Anlehen, halb Geld, halb Staats-Obligationenm die im vollen Werth angenommen werden, während sie selbe um zwanzig, dreißig Gulden einkaufen, und also daran schon bei jedem Hundert wenigstens siebzig Prozent gewinnen, nebst großen Zinsen und Provisionen. Auch hier giebt es etwas zu gewinnen, die Frau Ministerin kauft viele Obligationen zusammen, man tritt mit in das Anlehen ein und so wäscht eine Hand die andere. Die Aussicht für die übrigen ältern Staats-Gläubiger war daher sehr traurig, da sie selbst in Sechs- bis Acht Jahren keine Interessen erhalten konnten. Diese Stockung war nun so drückender für das Land, als der größte Theil der Unterthanen ihre Kapitalien theils den Land-Ständen, theils den Fürstbischöfen, und Prälaten, theils den Reichs-Ständischen Magisträten, oder den Reichs-Ritterschaften noch ehemals in vollen Vertrauen, auf ihre Landesväterliche Fürsorge gegeben hatten, und nun weder Kapital noch Interessen erhielten, während sei an den nehmlichen Staat, der diee Kapitalien zu bezahlen übernommen hatte, ungeheure Abgaben ohne Abrechnung ihrer Forderung leisten mussten. Unglaublich muß es scheinen, wenn man sagt, daß durch diesen Zahlungs-Rückstand die Staats-Obligationen von Hundert Gulden bis auf Zwanzig Gulden im Werthe herabsanken, und daß man sie selbst um diesen Preiß nicht verkaufen konnte. Tausende von Familien gehen darüber zu Grunde, und das dadurch verursachte Unglück wirkt in so mannigfaltigen Abstufungen, daß der Schaden, welcher für den Staat darauf entspringt, mit gar nichts mehr gut gemacht werden kann.

Der laute Unwille, welche diese Grausamkeit hervorbrachte, der Fluch, der den Nahmen Seligmann und Montgelas überall entgegentöntem bewog endlich den seiner Schuld bewussten Minister zu einer Schein-Maßregel, um das Volk zu täuschen und zu beruhigen. Er setzte eine Schulden-Tilgungs-Kommission wieder unter den Vorsitz des Geheimen Raths von Utzschneider, eines Mannes, der theils wegen seiner Verbindungen mit großen Handelshäusern wenigstens einigen Credit zu erhalten im Stande war. Die Schuldentilgungs-Kommission sollte nun diesen Zweig ganz gesondert von den übrigen Finanzen, besorgen, und alle hiezu bestimmten Gelder heilig zu diesem Zweck verordnen. Die Mauth- und Ausschulags-Gefälle, verbunden mit einer Schuldentilgungs-Steuer, der man den Nahmen Familien-Geld gab, nebst den noch übrigen Staats-Gütern in Baireuth und Salzburg, sollten, verbunden mit einen eigens dazu bestimmten Lotterie-Anlehen, die Schuldentilgungs-Kasse hinlänglich decken. Da aber die ganze Anstalt nur auf die Volkstäuschung berechnet war, so wälzte man dieser Schuldentilgungs-Kommission mehrere, ihrer Bestimmung ganz fremde Zahlungen zu: als die sämmtlichen Rückstände aller Kassen; die an Frankreich monathlich zu bezahlende Summe für die Staats-Güter von Salzburg und Baireuth, welche Baiern dem Protektor erst noch mal mit Geld abkaufen mußte, während es dfür schon so viel Blut seiner Unterthanen zum Opfer gebracht hatte, und so noch mehr andere Gegenstände, die allein schon die Kasse aufzehren mußten. Um die Staatsgläubiger zu täuschen, zog man sie von einer Liquidation zur anderen, gab den Obligationen neuen Formen, machte aus den achtjährig rückständigen Zinsen wieder neue Kapitals-Briefe, zahlte die Interessen ein Viertel-Jahr, dann hörte man wieder auf; kurz noch bis auf diesen Augenblick kann eben der ärmste Theil der Unterthanen, der diese Gelder jetzt am nöthigsten brauchte, nicht zu seinem Gelde kommen, und ist gezwungen, sie an die Juden, und Unterhändler der Seligmann-Montgelaischen Han