Geschichte des Lützowschen Freikorps
Die Zeit nach dem Waffenstillstande bis zum Abmarsche des Freicoprs nach Frankreich.
Was glänzt dort vom Walde im Sonnenschein?
Hör’s näher und nähr draußen.
Es zieht sich herunter in düstern Reihn,
Und gellende Hörner schallen darein,
Und erfüllen die Seele mit Grausen.
Und wenn ihr die schwarzen Gesellen fragt,
Das ist Lützows wilde verwegene Jagd.
Was zieht dort rasch durch den finstern Wald,
Und kreist von Bergen zu Bergen?
Es legt sich in nächtlichen Hinterhalt;
Das Hurrah jauchzt und die Büchse knallt.
Es fallen die Fränkischen Schergen.
Und wenn ihr die schwarzen Jäger fragt,
Das ist Lützows wilde verwegene Jagd.
Wo die Reben dort glühen, dort braust der Rhein,
Der Wüthrich geborgen sich meinte,
Da naht es schnell mit Gewitterschein,
Und wirft sich mit rüstigen Armen hinein,
Und springt an’s Ufer der Feinde.
Und wenn ihr die schwarzen Schwimmer fragt,
Das ist Lützows wilde verwegene Jagd.
Was braust dort im Thale die laute Schlacht,
Was schlagen die Schwerter zusammen?
Mildherzige Reiter schlagen die Schlacht.
Und der Funke der Freiheit ist glühend erwacht,
Und lodert in blutigen Flammen.
Und wenn ihr die schwarzen Reiter fragt,
Das ist Lützows wilde verwegene Jagd.
Wer scheidet dort röchelnd vom Sonnenlicht,
Unter winselnde Feinde gebettet?
Es zuckt der Tod auf dem Angesicht;
Doch die wackern Herzen erzittern nicht.
Das Vaterland ist ja gerettet!
Und wenn ihr die schwarzen Gefall‘nen fragt,
Das war Lützows wilde verwegene Jagd.
Die wilde Jagd, und die deutsche Jagd,
Auf Henkersblut und Tyrannen!
Drum, die ihr uns liebt, nicht gemeint und geklagt;
Das Land ist ja frei, und der Morgen tagt,
Wenn wir’s auch nur sterbend gewannen!
Und von Enkeln zu Enkeln sei’s nachgesagt,
Das war Lützows wilde, verwegene Jagd.
Es war vorauszusehen, daß der Krieg, nach Ablauf des Waffenstillstandes, mit vermehrter Heftigkeit ausbrechen, und daß den Lützowschen Corps mit den Truppen, zu welchen es gehörte, die Aufgabe anheim fallen würde, den Marschall Davoust zu bekämpfen, der im Besitze von Hamburg war, und über einen beträchtlichen, durch Dänen noch verstärkten Heerhaufen zu gebieten hatte. Das Freicorps war damals unter die Befehle des Generals von Tettenborn gestellt worden, dessen Truppen zu den Wallmodenschen Corps gehörten. Dieses bestand aus 17 bis 18,000 Mann, war an der untern Elbe aufgestellt, und stand mit dem Heerhaufen des schwedischen Generals von Vegesack in Verbindung, welcher über nicht ganz 5400 Mann befehligte, und nur beschränkt dem General von Wallmoden untergeben war, indem er von dem Kronprinzen von Schweden die Anweisung erhalten hatte, sich im Falle des Rückzugs nach Stralsund zu wenden.
Der Heerhaufen des Generals von Wallmoden bot ein eigenes Schauspiel dar, indem er aus den verschiedensten Bestandtheilen zusammengesetzt war. Es fanden sich darunter Engländer, Hannoveraner, Dessauer, Hanseaten, die russisch deutsche Legion, das Lützowsche Corps die reichschen Jäger, Kosaken, und wenn man die Truppen von Vegesack hinzurechnet, Schweden und preußische Husaren. Eine solche Zusammensetzung war nicht vortheilhaft und konnte leicht nachtheilige Folgen haben, wenn die so gemischten Schaaren genöthigt worden wären, auf beschränkten Raume neben einander zu kämpfen.
Es war zu erwarten, daß sich Davout auf diesen Heerhaufen werfen, und den Angriff unterstützen würde, welchen Napoleon mit einen Theile seiner Macht gegen Berlin richten dürfte. Bei seiner Stärke konnten sich die wichtigsten Resultate an sein Vorrücken knüpfen, wenn er es beschleunigte und mit Energie ausführte. Es war daher von großer Wichtigkeit, ihn in seinem Unternehmen aufzuhalten, und das Lützowsche Corps mußte als eine günstige Fügung betrachten, daß ihm zu Theil wurde, den ersten Stoß des Feindes auszuhalten. Ist es auch nicht unsere Aufgabe, die militärische Geschichte des Corps speciel niederzuschreiben, so dürfen wir doch die wichtigeren Momente derselben nicht übergehen, und am wenigsten von dem Gefechte bei Lauenburg schweigen. Es war nicht nur das erste, welches dem Corps Gelegenheit gab, sich zu bewähren, sondern es zeichnete sich auch durch manche Einzelheiten aus, die geeignet waren, den Charakter desselben bestimmter hervortreten zu lassen.
Bei der Wiedereröffnung der Feindseligkeiten standen das erste und zweite Bataillion ohne ihre Detachements in Lauenburg und hatten 3 eiserne Kanonen bei sich. Ein kleiner Haufe Kosaken war die einzige Reiterei, die der Truppe zu Gebote stand. Lauenburg, terrassenförmig gebaut, liegt an der großen Straße von Hamburg nach Mecklenburg, in einem Winkel, welches die Stecknitz mit der Elbe bildete, und zwar am linken Ufer beider Flüsse. Jenseits Lauenburg waren zwei unbedeutende, nicht ganz vollendeten Redouten, und zwischen ihnen 2 kleine Fleschen aufgeworfen, denen es aber an Palisaden und andern Schutzmitteln fehlte. Zwischen ihnen mitten hindurch lief die Landstraße. Ueber diese Befestigungen hinaus senkte sich der Boden und zeigte ein von einem Abzugsgraben und Hecken durchschnittenes Terrain, welches sich allmählig wieder erhob und von einem Walde bekränzt war. Aus diesem Walde heraus mußten die Franzosen defiliren und sich durch das durchschnittene Terrain den Befestigungen nähern, wenn sie nach Lauenburg vordringen wollten. Ein Piquet von 50 Mann Fußvolk war von dem Corps auf der Straße nach Hamburg vorgeschoben und mit Wagen versehen, um sich eilig zurückziehen zu können. Und hatte einen Haufen Kosacken auf derselben Straße vor sich. Seine Bestimmung war mehr zu beobachten, als den Feind aufzuhalten. Als dieser daher nach Mittag den 17 August rasch und mit überwiegender Stärke auf der Straße vordrang und die Kosacken zum eiligen Rückzuge nöthigte, verließ auch das Piquet seinen Posten. Der Feind besetzte eilig den oben bezeichneten Wald, warf sich, aus diesem vordringend, auf die den Abzugsgraben deckende Tirallierlinie, und zwang sie, ihre Stellung aufzugeben. Aber bald verstärkt ging sie wieder vor, vertrieb den Feind, der sich nun auf der flachen Anhöhe aufstellte, und griff ihn auch hier mit Entschlossenheit und Tapferkeit und nicht ohne günstigen Erfolg an. Da es jedoch ganz zwecklos gewesen sein würde, sich in dieser Entfernung von den Schanzen zu behaupten, so nahm die vorgedrungene Truppe den Graben wieder ein, der sich, bei der Ueberlegenheit des Feindes, allein zu einem brauchbaren Vertheidigungsmittel darbot. Die Franzosen richteten daher auch auf ihn ihre besondere Aufmerksamkeit, und begannen das Tirallieurgefecht sehr bald wieder, nachdem sie sich von neuem in den Besitz der ihnen nicht bestrittenen Anhöhe gesetzt hatten. Erst die hereinbrechende Nacht machte dem Kampfe ein Ende. Die Feinde hatten sich während desselben in einer Stärke von 5 Bataillionen und 5 Eskadronen an dem Saume des Waldes gezeigt.
Die Artillerie des Corps hatte die Infanterie wirksam unterstützt. Obgleich nur aus 3 eisernen Kanonen bestehend hatte sie doch der feindlichen immer lebhaft geantwortet und ihr sogar eine Haubitze demontirt.
Eine Vorpostenkette behielt während der Nacht die Stellung am Graben besetzt, ward aber mit Tagesanbruch von dem Feinde daraus vertrieben, der sie jedoch ebenfalls nicht behaupten konnte, als die Tiraillieur des Corps ihm rasch zu Leibe gingen. Inzwischen schien ihm zu viel daran zu liegen, das durchschnittene Gelände in seine Gewalt zu bekommen, als daß er nicht immer von neuen seine Angriffe hätte darauf richten sollen. Sie waren jedoch nicht nur vergeblich sondern er vermochte auch nicht zu verhindern, daß ihm abermals das gegen den walt ansteigende Land entrissen wurde. Bei seinem Rückzuge gelang es ihm indeß seine Geschütze, von denen mehrere demontirt worden waren, in Sicherheit zu bringen, und auf einer mehr rückwärts liegenden Höhe aufzustellen, deren Wegnahme zwar ebenfalls von den Unsrigen versucht, aber nicht bewerkstelligt wurde. Nicht nur wurde der Führer der Mannschaft, welche diesen Versuch machte, verwundet, sondern man überzeugte sich auch, daß ein Vordringen bis auf jene Höhe leicht zum größten Nachtheile nicht nur für die Vordringenden, sondern auch für die ganze von dem Corps zu behauptende Stellung ausschlagen konnte, wenn der Feind von seiner Ueberlegenheit Gebrauch machte.
Die Gefechte an diesem Morgen waren lebhaft und hartnäckig gewesen und hatten den Franzosen wahrscheinlich einen großen Verlust verursacht. Allein unentschieden muß es bleiben, ob es dieser Umstand war, oder vielmehr die Absicht des Feindes, eine Verstärkung von 2 Bataillionen, worunter sich ein dänisches Jägerbataillon befand, und welche von Bergedorf herbeikam, abzuwarten, wodurch um Mittag eine Waffenruhe von mehreren Stunden eintrat. Der Feind zeigte sich in dieser Zeit nicht einmal auf dem flachen Höhenzuge. Dagegen erneuerte er hernach den Angriff auf unsere Stellung am Graben mit großer Heftigkeit und setze ihn bis in die Dunkelheit fort. Seine letzten Anstrengungen machte er sogar mit Bataillons-Kolonnen; erreichte aber damit eben so wenig, als durch sein Tiraillieurfeuer seine Absicht.
Schon in der Nacht vom 17. Zum 18. War das Detachement des 2. Bataillons aus Boitzenburg zur Unterstützung der Truppen bei Lauenburg herangezogen, aber nach den glücklichen Gefechten am folgenden Morgen schon wieder zurückgesandt worden.
Die Nacht des 18. War sehr dunkel, kalt und regnerisch; aber die Truppen des Corps waren wachsam, und sahen ohne Zagen dem wahrscheinlichen Kampfe am andern Morgen entgegen. Indeß ließ sich erwarten, daß der Feind endlich seine Übermacht benutzen , und entweder schon in der Nacht auf der Straße vorgehen, oder die Unsrigen am nächsten Tage mit Gewalt aus ihrer Stellung vertreiben würde; denn nach den verschiedenen Versuchen, die er bis jetzt gemacht hatte, konnte ihm unsere Stärke nicht unbekannt geblieben sein, und er mußte einsehen, daß, wenn er in der Dunkelheit auf der Straße vordränge, die Schanzen zu beiden Seiten derselben nicht mehr zu halten sein würden. Dies voraussetzend, befahl auch der General von Tettenborn, die Geschütze in der Nacht abzuführen, und, wenn der Feind noch einmal einen ernsthaften Angriff machen sollte, mit der Infanterie über die Stecknitz zurückzugehen. Die bezeichneten Uebergangspunkte waren bei der Palmschleuse und den Fluß weiter aufwärts bei Lanz.
Bedenkt man, daß die Lützowsche abwechselnd gegen 36 Stunden im Feuer gestanden hatte, daß ein großer Theil derselben bei Tage oder bei Nacht zu Piquets in den nöthigen Posten gebraucht worden war und daß einzelne Soldaten in mehreren Fällen in 6 bis 8 Stunden wegen Mangel an Mannschaft nicht abgelöset werden konnten, so wird man zugeben, daß sich ein fernerer, erfolgreicher Widerstand gegen den bei weitem überlegenen Feind nicht erwarten ließ. War es aber die Absicht des französischen Marschalls, das Vordringen seiner Landsleute gegen Berlin, welches damals von der Mittelelbe aus statt fand, zu unterstützen, so war es schon ein unberechenbarer Gewinn, ihn 2 Tage lang aufgehalten zu haben. Wenn man jedoch sein ganzes Verhalten betrachtet, so kann man ihm kaum jene Absicht unterlegen. Hätte er diese gehabt, so mußte er gleich am ersten Tage, während er die Tirailleurlinie seines Gegners beschäftigte, auf der Landstraße nach Lauenburg vordringen. Er würde die ihm gegenüberstehende Mannschaft nicht nur leicht geworfen, sondern auch auseinander gesprengt und ihr zugleich viele Gefangene abgenommen haben, da ihm eine Reiterei zu Gebote stand, der man die wenigen Kosacken, die sich bei dem Freicorps befanden, kaum hätte entgegenstellen können. An eine schnelle Herbeiziehung von Hülfe war aber nicht zu denken; denn diese konnte von Boitzenburg, wo das Jäger-Detachement des 2ten Bataillons, oder von Büchen, wo und in dessen Nähe das 3 Bataillion mit dem Jäger-Detachement des ersten Bataillons, der Reiterei und 5 Geschützen stand. Die Tyroler Schützen dienten bei Lauenburg zur Deckung des rechten Flügels und waren vorübergehend zum Theil zu dem Gefechte herbeigezogen worden. Der Raum zwischen den waldigen Anhöhen und Lauenburg war so unbedeutend, daß ein entschlossener und muthiger Feind ihn auch bei muthigem Widerstande zurückgelegt haben würde, ehe noch die Truppen in Boitzenburg oder Büchen zur Unterstützung aufgefordert werden konnten. Unbesonnen hätte man aber ein solches Vorgehen des Feindes nicht nennen können; denn gesetzt daß er die ihm entgegenstehende Macht weit stärker fand, als sie war, worüber er nicht im Zweifel geblieben seyn würde; so war es ihm weit leichter, sich auf die rückwärts liegenden Höhen zurückzuziehen, als seinem Gegner die oben bezeichneten Uebergangspunkte über die Stecknitz zu erreichen. War dies nun aber nicht der Fall, so darf man mit Recht behaupten, daß dem Freikorps eine sehr gefährliche Lage übertragen worden war, in welcher es nur durch ein gutes Geschick vor einem sehr großen Verluste bewahrt wurde. Man darf sich daher auch nicht wundern, daß sich bald nach dem Rückzuge desselben, von Lauenburg das Gerücht verbreitete, es sei ganz vernichtet worden. In der Nacht zum 19. Waren die früheren Vorsichtsmaßregeln wieder angewendet worden. Sie verlief größtentheils ruhig; aber schon um 2 Uhr Morgens lief die Anzeige bei dem Befehlshaber ein, daß der Feind vorrücke, und wenn er sich damals auch wieder zurückzog, so geschah dies nur, um bald darauf mit größerer Entschiedenheit auf der Landstraße vorwärts zu gehen. Jetzt ward der Befehl an die Unsrigen gegeben, sich eilig über die Palmschleuse zurückzuziehen; nur die 2. Compagnie des 1. Bataillons, welche zur Unterstützung der Tiraillieurlinie aufgestellt war, wurde verwendet, um den im Sturmschritt vorgehenden Feind aufzuhalten. Der Widerstand, den sie leistete, konnte an sich nicht bedeutend sein, aber er wurde dadurch noch unbedeutender, daß wegen des langen Regens dieser Nacht die meisten Gewehre nicht losgingen.
Bei der ziemlich weitläufigen Stellung der Truppen war es kaum möglich, den ausgestellten Piquets den Befehl zum Rückzuge zur rechten Zeit zu kommen zu lassen. Es ist daher auch begreiflich, daß nicht die ganze Mannschaft sich über die Brücke bei der Palmschleuse zu retten vermochte. Ein Piquet von 20 Mann wäre sogar bald durch einen Umstand eigener Art dem Feinden in die Hände gefallen, wäre es nicht besonnen genug gewesen, die Lage der Dinge bei der Auslegung der ihm zugekommenen Befehl zu Hülfe zu nehmen. Der Fall, wie unbedeutend er erscheinen mag, wird hier wohl erzählt werden dürfen, wo wir es überhaupt nur mit kleineren Verhältnissen zu thun haben. Die Bedingungen des Lebens bleiben ja immer dieselben. Der Oberjäger jenes Piquets, welches in einer ziemlichen Entfernung rechts von der Landstraße stand, hatte die schärfste Aufmerksamkeit auf jedes Geräusch gerichtet. Ihm entging daher auch die Bewegung des Feindes nicht und der Befehl, den ihm eine Ordonanz brachte, sich zurückzuziehen und an sein Bataillion anzuschließen, fand ihn schon darauf vorbereitet. Aber kaum hatte er die Posten eingezogen, als er durch eine 2. Ordonanz den Befehl erhielt, stehen zu bleiben und seine Stellung bis auf das äußerste zu behaupten. Beide Befehle widersprachen einander nicht nur, sondern der letzte war auch den Umständen so unangemessen, daß es schwer war, ihn begreiflich zu finden. Inzwischen hätte ihm Folge geleistet werden müssen, wenn der Oberjäger nicht durch den Zustand der 2. Ordonanz auf die ganz richtige Folgerung geführt worden wäre, daß sie die zuerst angekommene hätte sein sollen. Die unfreundliche Witterung und die Last des Dienstes hatte den Soldaten verführt, seine Flasche mehr als gewöhnlich zuzusprechen, und so hatte er sich taumelnd auf dem Wege verweilt oder sich auch wohl bei der Dunkelheit der Nacht nicht sogleich zurecht gefunden. Die Folge bekräftigte dies hinreichend; denn das Piquet war nur mit großer Anstrengung im Stande, die in vollem Rückzuge begriffenen Truppen zu erreichen. Wie schnell übrigens die Franzosen vorgedrungen waren, beweiset auch der Umstand, daß ein am 18. Morgens verwundeter Lieutenant des Corps, den man nach Lauenburg gebracht hatte, erst von ihrem Vordringen durch ihr Erscheinen in der Stadt Kunde erhielt. Dieser Lieutenant, der so muthig den Feind as dem Abzugsgraben geworfen und ihm die dahinter liegende Anhöhe entrissen hatte, würde ihm jettzt ohne seine Entschlossenheit in die Hände gefallen sein. Er warf sich eilig in seine Kleider, so gut es seine Wunde zuließ, nahm den bloßen Säbel unter den Arm ging eine Zeit lang ruhig neben der französischen Kolonne einher, die eben vorbeizog, als er aus seinem Hause trat, bog dann schnell in eine Seitengasse ein, hieb am Thore einen Franzosen, der ihn anrief, nieder, und schleppte sich noch mehrere Schritte außerhalb der Stadt fort, nachdem ein Kolbenschlag ihn betäubt hatte. Den Niedergesunkenen fand ein Kosak, der ihn auf sein Pferd hob und mit ihm davon ritt.
Der größte Theil der Mannschaft rettete sich glücklich die die Brücke bei der Palmschleuse, und von denjenigen Soldaten, welche diese nicht hatten vor dem Feinde erreichen können, stellten sich doch später die meisten wieder ein. Sie waren zum Theil durch die Stecknitz geschwommen, zum Theil aber hatten sie sich an langen Stangen hinübergeholfen, welche je 2 auf ihren Schultern über den Bette des Flüßchens hielten, damit die andern mit den Händen daran fortschweben könnten.
Die einfache Erzählung der Vorgänge bei Lauenburg ist hinreichend, um zu zeigen, daß es den Lützowern weder an Ausdauer, noch an Muth und Tapferkeit fehlte. Inzwischen fürchten wir keinen Tadel, wenn wir noch einige Züge aus der Geschichte dieser Tage hinzufügen, welche geeignet sind, theils diese Behauptung noch weiter zu belegen, theils die achtungswerthe Gesinnung darzuthun, welche damals das Corps im ganze belebte. Sie sind aus dem Kreise hergenommen, in welchem sich der Erzähler damals bewegte, und sollen denen nicht Eintrag thun, von denen er keine Kenntniß erhält. Zuerst mag im allgemeinen bemerkt werden, daß der Eifer, an dem Gefechte Theil zu nehmen, so groß war, daß die größte Mühe angewendet werden mußte, um so viel Mannschaft zurückzuhalten, als zur Besetzung der nothwendigen Posten und zur Unterstützung der Tirailleurs erfordert wurde. Das wichtige Kommando in der einen Schanze blieb deshalb auch längere Zeit in den Händen eines Oberjägers. In dem Gefechte selbst zeigten die Soldaten den größten Muth und seltene Kaltblüthigkeit. Unter denen, welche die von den Franzosen besetzte Anhöhe erstürmten, waren viele, denen man erst einige Tage vorher Gewehre gegeben hatte. Ein Soldat, welcher Stunden lang dem Feuer der französischen Tirailleurs ausgesetzt gewesen war, hatte sogar die Verwegenheit ihnen zuletzt auf das freie Feld weit hinaus entgegen zu gehen, und ihnen zugerufen, daß sie elende Schützen wären, die erst von den Unsrigen schießen lernen müßten. Diesmal blieb aber die Keckheit nicht unbestraft, und die Strafe traf wunderbarer Weise das Werkzeug, was gefrevelt hatte. Eine Kugel ging in den Mund des Herausforderers, riß ihm 2 Zähne aus und drang durch seine Zunge in den Hinterkopf, wo sie auch stecken blieb; denn eine Zeit nach seiner Heilung fiel sie ihm bei einer Balgerei plötzlich in den Mund. – Ein anderer Soldat, seinen Alter, er hatte noch nicht das 17. Jahr erreicht, und seiner Größe und zarten Constitution nach noch ein Knabe, sagte mit großer Ruhe, als ihm beim Laden seines Gewehrs eine Kugel durch die Hand gegangen war und er das Gefecht verlassen mußte, zu seinen Kameraden, sorgt nur dafür, daß ich mein Gewehr wieder bekomme, wenn ich zurückkehre. – Zu diesen Beweisen tapferer Gesinnung gehört aber auch, daß die 3. Comp. Des 1. Bat. Sich weigerte, 2 Soldaten wieder bei sich aufzunehmen, die nach dem Rückzuge über die Stecknitz sich zwar wieder eingestellt hatten, aber ohne Gewehre gekommen waren. Weder die Entschuldigung daß ihnen dieselben in dem sumpfigen Boden der Stecknitz stecken geblieben seien, noch die Verwendung des Hauptmanns zu ihren Gunsten, konnte sie vor der Ausstoßung retten. Sie mußten den schwarzen Rocl ausziehen, den sie entehrt hatten.
Es war Anfangs die Absicht, den Feind an der Stecknitz aufzuhalten; aber wenn auch die Bücke über diesen Fluß bei der Palmschleuse abgebrannt worden wäre, was durch die Feuchtigkeit des dazu angwendeten Strohs erschwert und durch die herbeieilenden dänischen Jäger verhindert wurde, so würde doch jenes Gewässer bei seiner geringen Breite und Tiefe, nur ein schwaches Hindernis für die Franzosen gewesen sein. Gingen diese aber über den Fluß, so war auf einen kräftigen Widerstand von Seiten unserer erschöpften Soldaten nicht zu rechnen. Auch versagten die meisten Gewehre den Dienst. Viele Soldaten hatten seit 2 Tagen fast gar nicht geschlafen, hatten sich einen großen Theil dieser Zeit fortwährend geschlagen, und litten auch trotz des Eifers, womit die Bewohner Lauenburgs Lebensmittel in die Schanzen brachten von Hunger und Durst. Waren doch einzelne so erschöpft, daß keine Bemühung sie aus dem Schlafe aufrütteln konnte, als die Feinde vordrangen. Die bleichen, von Pulverdampf entstellten Gesichter der Soldaten sagten es auch den Anführern deutlich, daß an einen kräftigen Widerstand in diesem Augenblicke nicht gedacht werden dürfe. Dies und das die Franzosen auch bei Lanz erschienen waren hinreichende Gründe, von der Stecknitz zurückzuweichen. Inzwischen hatte man sich in der Nähe des Flusses, gehalten, und zog sich eben so langsam zurück, wie der Feind vordrang, dessen Eifer, rasch vorzurücken, schon wieder erkaltet zu sein schien. Der gesammte Verlust des Corps bei Lauenburg an Todten, Verwundeten und Vermißten wird auf etwa 100 Mann angegeben.
Der Marschall Davout hat sich bekanntlich in diesem ganzen Kriege, wenn man die Vertheidigung Hamburgs abrechnet, mit einer Behutsamkeit benommen, die man versucht ist, Zaghaftigkeit oder Schlafheit zu nennen. Gesteht man auch zu, daß es ihm an Kundschaftern fehlte, und daß er nicht leicht jemand fand, der ihm über die Stellung und Stärke seiner Gegner Auskunft geben konnte und mochte; so fehlte es ihm doch nicht an den militärischen Mitteln, sich selbst die ihm abgehende Kenntiß zu verschaffen. Aber alles, was er von dem Uebergange über die Stecknitz bis zum Anfange des Septembers that, bestand in einen langsamen Vorgehen nach Schwerin und in dem bald darauf angetretenen Rückzuge über Gadebusch an den genannten Fluß. Er vermied sorgfältig jedes ernstliche Treffen und hielt seine Truppen beisammen, um keine Gelegenheit zu kleinen Treffen zu geben. – Der Mangel an Kundschaftern auf Seiten der Franzosen war auch die Ursach eines eigenthümlichen Geschicks zweier Freiwilligen des Corps, wovon der eine später in Berlin ein bekannter praktischer Arzt war. Sie waren über die Elbe nach der Altmark gegangen, um hier für das Corps zu wirken, fielen aber den französischen Gensdarmen in die Hände und wurden vor Davout selbst gebracht. Bei diesem wußten sie sich jedoch so gut zu legitimiren, daß er sich als seine Kundschafter zu benutzen beschloß und sie sogar mit Gelde versah. So kehrten sie nach längerer Abwesenheit wieder zum Corps zurück.
Das Freicorps nahm an allen Bewegungen Theil, welche von den Truppen des Generals Wallmoden gemacht werden mußten, um die Schritte des Feindes theils zu bewachen, theils zu hemmen, hatte daher wenig Ruhe, aber desto mehr Gelegenheit sich mit dem Bivouakiren vertraut zu machen, da unter den gegebenen Umständen an Einquartirung nicht zu denken war. Inzwischen liegt es ganz außer unserm Zwecke, auf das Einzelne der Märsche und Stellungen des Corps einzugehen; wir beschränken uns auf die Angabe der Actionen desselben und verweilen auch nur bei denjenigen, die uns für seine Beurtheilung von besonderer Bedeutung erscheinen.
Durch das Vorgehen der Franzosen nach Schwerin hatte sich der Kronprinz von Schweden bestimmen lassen, dem General von Wallmoden zu befehlen, mit seinem Heerhafen nach Brandenburg an der Havel aufzubrechen. Nur die Division Vegesack, so wie die leichten Truppen unter Tettenborn blieben zur Beobachtung von Davout zurück, und hatten die schwierige Aufgabe, ihm ihre Schwäche zu verbergen. Sie änderten daher oft ihre Stellung und unterließen nichts, den Feind zu beunruhigen. Zu diesem Zwecke war auch der Major von Lützow mit 100 Kosaken und 100 Husaren seines Corps am 25. August von Warsow aufgebrochen, war nach Gottesgabe gegangen und hatte sich in der Nacht, rechts von der Straße, die von Gadebusch nach Schwerin führt und in der Nähe von Rosenhaben in ein Gehölz verborgen. Aus diesem Verstecke gewahrte man am 26. Einen Zug von schwerbewaffneten Wagen, die sich unter einer Bedeckung von Fußvolk näherten und ohne Zweifel für das Lager der Franzosen bei Schwerin bestimmt waren. Sie erschienen dem Major von Lützow als eine sichere Beute, auch würde er sich ihrer mit Leichtigkeit bemächtigt haben, hätten sie nicht in raschen Laufe das Gehölz erreicht, in welchem das Fußvolk sich sicherer zu vertheidigen vermochte, indem es sich darin zu beiden Seiten des Weges ausbreitete. Indeß wurde sein Widerstand bald überwältigt. Zwischen 50 und 60 Feinde blieben oder wurden verwundet, und 27 geriethen in Gefangenschaft, Nur wenige zogen sich in das Gehölz zurück, wo sie durch Bäume und Gebüsch gegen die Reiter gedeckt waren. Aber dies hinderte Theodor Körner nicht, ihnen nachzuspringen. Seine ungezügelte Kampfbegier ließ ihn weder die Gefahr beachten, der er sich aussetzte, noch die Nichtigkeit des Vortheils bedenken, der hier zu erlangen war. Er fiel von einer Kugel, getroffen, die ihm durch den Unterleib in den Rückgrath drang, und hauchte sogleich seinen Geist aus. Neben ihm fielen ein Graf von Hardenberg, der den Russen als Volontär diente, und einige Husaren. War es Körners Wunsch gewesen, für das Vaterland zu sterben, so hatte er ihn erreicht, aber das Schicksal hatte ihm denselben gewährt, wie es häufig ungezügelte Wünsche gewährt: mit einer gewissen Ironie. Allerdings stirbt der Soldat, wo und wie er stirbt, für die Sache, der er dient; aber wir müssen gestehen, daß, wenn der Tod für das Vaterland als etwas Poetisches aufgefaßt und erstrebt wird, die Poesie des Gedankens verschwindet, sobald das Leben an die Erlangung eines bettelhaften Gewinnes mit einer Hitze gesetzt wird, als gelte es den höchsten Preis zu erobern. Wir hätten Körnern einen bessern Tod gewünscht, einen Tod, der nicht den Schein auf ihn geworfen hätte, als wäre ihm noch mehr an dem Tode als an der Sache gelegen gewesen, für die er in den Kampf gegangen war Aber wir hätten auch gewünscht, daß der Major von Lützow, der Chef des Freicorps, sich eine würdigere Aufgabe gesetzt gehabt hätte, als Wege zu belagern, um sich mit den Gewinn eines Freibeuters zu schmücken.
Das Körner den Wunsch in sich trug, im Kampfe zu bleiben, dürfte auch aus dem Gedichte hervorgehen, welches unter dem Namen des Schwertliedes bekannt ist, und wovon es heißt, daß er es erst am Morgen seines Todestages in seine Schreibtafel eingeschrieben gehabt habe. Wir lassen es hier zu seinen Andenken abdrucken. Das Freicorps verdankt ihm viel; seine Lieder haben vornehmlich dazu beigetragen, es als seine poetische Erscheinung aufzufassen; warum sollten wir ihn daher nicht dadurch ehren, daß wir uns an ihn durch ihn selbst erinnern.
Das Schwert an meiner Linken,
Was soll dein heitres Blinken?
Schaust mich so freundlich an,
Hab‘ meine Freude dran.
Hurrah!
»Mich trägt ein wackrer Reiter,
»Drum blink‘ ich auch so heiter,
»Bin freien Mannes Wehr;
»Das freut dem Schwerte sehr.
»Hurrah!«
Ja, gutes Schwert, frei bin ich,
Und liebe dich herzinnig,
Als wärst du mir getraut,
Als meine liebe Braut.
Hurrah!
»Dir hab‘ ich’s ja ergeben,
»Mein lichtes Eisenleben.
»Ach wären wir getraut!
»Wann holst du deine Braut?
»Hurrah!«
Zur Brautnachts-Morgenröthe
Rufst festlich die Trompete
Wenn die Kanonen schrei’n,
Hol ich das Liebchen ein.
Hurrah!
»O seliges Umfangen!
»Ich harre mit Verlangen.
»Du Bräut’gam, hole mich,
»Mein Kränzchen bleibt für dich.
»Hurrah!«
Was klirrst du in der Scheide,
Du helle Eisenfreude.
So wild, so schlachtenfroh?
Mein Schwert, was klirrst du so?
Hurrah!
»Wohl klirr‘ ich in der Scheide:
»Ich sehne mich zum Streite,
»Recht wild und schadenfroh.
»Drum Reiter klirr ich so.
»Hurrah!«
Bleib doch im engen Stübchen.
Was willst du hier, mein Liebchen?
Bleib still im Kämmerlein,
Bleib, bald hol‘ ich dich ein.
Hurrah!
»Laß mich nicht lange warten!
»Oh schöner Liebesgarten,
»Voll Röslein blutigroth,
»Und aufgeblühten Tod.
»Hurrah!«
So komm denn au der Scheide,
Du Reiters Augenweide.
Heraus, mein Schwert, heraus!
Führ dich in’s Vaterland.
Hurrah!
»Ach, herrlich ist’s im Freien,
»Im rüst’gen Hochzeichtreiben,
»Wie glänzt im Sonnenstrahl
&n